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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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genommen hatte, wusste es nicht. Zusammen mit seiner Mutter und seinem
ältesten Bruder wärmte er sich am Kamin, während die lodernden Flammen ruhelos
tanzende Schatten an die Wände der Eingangshalle warfen.
    Â»Welchen Namen hat sich das Arschloch überhaupt zugelegt?«, wollte
Gregorio wissen.
    Â»Meint Ihr Johannes, den Bischof der Sabina?«, erwiderte aus dem
Dunkel heraus Petrus da Silva, der, eingehüllt in einen bodenlangen Pelzmantel,
in einem Armstuhl neben dem ausgestopften Bären saß. »Er nennt sich Silvester.
Wie der große Silvester, der Konstantin als ersten römischen Kaiser zum
Christentum bekehrte.«
    Â»Konstantin wurde von keinem Papst bekehrt, sondern von seiner
Mutter!«, sagte Ermilina.
    Â»Aber Papst Silvester hat ihn getauft«, erwiderte der Kanzler. »Mit
der Namensgebung wollen die Sabiner in seine Nachfolge treten.«
    Â»Was für eine Anmaßung!« schnaubte sie. »Was für eine ungeheuerliche
Frechheit! Buschräuber, die sich mit einem Heiligen auf eine Stufe stellen! Das
hat sich dieser Giampini ausgedacht!«
    Während seine Mutter in ihr Nähkästchen griff, um nach ihren Datteln
zu suchen, streckte Teofilo die Arme aus, um seine erfrorenen Hände über das
Feuer zu halten. Kaum hatten die Sabiner mit Kardinal Giampinis Bruder einen
eigenen Bischof zum Gegenpapst ernannt, hatte Petrus da Silva einen Kurier nach
Norden über die Alpen geschickt, um Heinrichs Unterstützung zu gewinnen. Der König
sollte Benedikts Widersacher entmachten und ihn selber wieder in sein Amt
einsetzen. Dafür hatte der Kanzler ihm Benedikts Unterstützung in seinem
Bemühen um die Pax Dei versprochen, den
Gottesfrieden, den der künftige Kaiser zum wichtigsten Ziel seiner Regentschaft
erklärt hatte, um das Rauben und Morden unter den Grafen und Fürsten und
Herzögen seines Reichs zu beenden. Doch vergebens. Der Kurier war aus dem
Norden mit einer niederschmetternden Nachricht zurückgekehrt: Heinrich war
nicht gewillt, sich in die Fehde der römischen Adelsfamilien einzumischen.
    Â»Was schlagt Ihr vor?«, fragte Teofilo seinen Kanzler.
    Â»Was für eine Frage!«, erwiderte Ermilina an Petrus da Silvas
Stelle. »Du musst zurück nach Rom! So schnell wie möglich! Du musst zurück auf
den Thron!«
    Â»Richtig«, pflichtete Gregorio ihr bei. »Wir holen uns wieder, was
uns gehört! Ich kann es gar nicht erwarten, Severo den Schädel einzuschlagen!«
    Â»Das halte ich für keinen klugen Gedanken«, widersprach Petrus da
Silva.
    Â»Auf kluge Gedanken kommt es jetzt nicht an! Es geht um unsere Ehre!
Und um unser Geld! Wir haben uns für die Cathedra bis über die Ohren
verschuldet. Wenn wir jetzt auch noch den Thron verlieren, sind wir für alle
Zeit geliefert.«
    Â»Eben deshalb rate ich dringend von einer Machtprobe ab. Wer wird
die Tuskulaner unterstützen?«
    Â»Trastevere ist auf unserer Seite.«
    Â»Wahrscheinlich. Aber in den letzten Wochen ist viel passiert.
Severos Übermacht wächst von Tag zu Tag. Es heißt, sogar Girardo di Sasso habe
sich gegen uns entschieden.«
    Â»Girardo di Sasso?«, fragte Teofilo überrascht.
    Â»Ja, Heiligkeit. Und wenn Ihr mich fragt, kann ich ihn sogar
verstehen. Sein Schwiegersohn hat sich im Prozess gegen Ugolino zum Feind der
Sabiner gemacht. Jetzt will Girardo dafür sorgen, dass der Mann seiner Tochter
nicht zwischen die Mühlsteine gerät.«
    Â»Was erwartet Ihr?«, wollte Ermilina wissen. »Sollen wir deshalb
diesen Silvester anerkennen, obwohl Gott meinen Sohn zum Stellvertreter seines
Sohns bestimmt hat?«
    Â»Nein. Mir schwebt eine andere Lösung vor. Wir müssen Druck auf
unsere Feinde ausüben. Doch ohne einen Krieg zu provozieren.«
    Â»Und wie soll das gehen? Ihr habt doch selber gesagt, dass es uns an
Verbündeten fehlt.«
    Petrus da Silva nahm einen Schluck Wein, bevor er eine Antwort gab.
»Wenn unsere Feinde in der Überzahl sind und wir keine Unterstützung beim Adel
finden, müssen wir das römische Volk auf unsere Seite bringen.«
    Â»Wollt Ihr uns zum Narren halten?«, fragte Gregorio. »Das Volk
wünscht Benedikt zum Teufel.«
    Â»Das kann sich sehr schnell ändern«, erwiderte der Kanzler. »Wir
brauchen nur einen Sündenbock, und der Wind dreht sich.«
    Â»Einen Sündenbock? Das verstehe ich nicht.«
    Â»Ein Brauch der Juden.

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