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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Gesicht, und noch tiefer ging
der Riss durch ihr Herz. »Erinnerst du dich, wie wir früher Trictrac gespielt
haben? Immer hast du mich gewinnen lassen …«
    Â»Das hast du gewusst?«
    Â»Natürlich. Und ich wusste auch, warum. Weil du nicht wolltest, dass
wir schlafen gingen … Weil du Angst hattest … vor dem, was kam … vor mir … vor
meiner Umarmung …«
    Â»Aber das war doch nur am Anfang! Das ist doch alles so lange her.«
    Â»Ist es das wirklich?«
    Aus seinen Augen sprach eine so große, alles verzeihende Liebe, dass
sie den Blick senkte. Noch jetzt, in dieser Stunde, war er bereit, ihr mit
Liebe zu vergelten, wofür jeder andere Mann sie hassen würde.
    Â»Womit habe ich dich verdient?«, flüsterte sie. »Womit habe ich dich
verdient?«
    Voller Scham erinnerte sie sich an die vielen Abende, an denen sie
mit Absicht gegen ihn beim Trictrac verloren hatte … Aus Angst vor dem Schmerz
ihres Körpers, aus Angst vor der Liebe, die er ihr schenkte … Was hätte sie
darum gegeben, wenn sie diesen letzten Abend mit ihm hinauszögern könnte, wie
jene zahllosen anderen Abende, als sie seine Liebe verschmäht hatte. Doch das
konnte sie nicht, um keinen Preis der Welt.
    Als würde er ihre Gedanken erraten, sagte er: »Jetzt ist es mit dem
Mogeln vorbei …«
    Chiara wollte protestieren, doch wieder schüttelte er den Kopf und
drückte ihre Hand, sodass sie schwieg.
    Â»Ich möchte, dass du mir etwas versprichst«, sagte er. »Wirst du das
tun?«
    Chiara antwortete mit einem stummen Kopfnicken.
    Â»Wenn ich tot bin, versprich mir, dass du nie wieder lügst …
Vertraue auf deine Gefühle, und die Liebe … Sie ist das einzige …«
    Â»Psssst!« Chiara konnte die quälenden Worte nicht länger ertragen
und legte ihm einen Finger auf die Lippen. Doch er ließ sich nicht beirren. Mit
letzter Kraft hob er den Kopf.
    Â»Eins musst du noch wissen, mein Liebling, es ist die Wahrheit – ich
war nicht dabei …«
    Â»Wobei?«
    Â»Bei dem Attentat … damals im Dom … in Teofilos Dom … am Apostelfest …«
    Chiara stöhnte leise auf. »Was kommt es darauf noch an?« Sie strich
ihm über das Gesicht, wischte ihm den Schweiß von der Stirn.
    Â»Danke …«
    Erschöpft schloss er die Augen, unfähig, weiterzusprechen. Kaum
merklich hob und senkte sich seine Brust. Ein kühler Hauch strich durchs
Fenster, als würde ein fremder, unsichtbarer Gast in die Kammer eindringen.
    Chiara fröstelte. Schon glaubte sie den Tod zu sehen, wie er auf dem
Bett Platz nahm, ihr gegenüber, auf der anderen Seite, und seine knöchernen
Hände nach ihrem Mann ausstreckte. Doch noch einmal schlug Domenico die Augen
auf.
    Â»Ich war es nicht … Es war Gregorio … Das Messer … Er hat seinen
Vater umgebracht …«
    Â»Du sollst nicht sprechen«, sagte Chiara, »du brauchst jetzt deine
ganze Kraft, um … um …« Sie brachte den Satz nicht zu Ende.
    Â»Siehst du?«, flüsterte er. » Du kannst es selber nicht sagen … Weil
es nichts mehr gibt, wofür ich Kraft brauche … Außer …« Er machte eine Pause,
um Atem zu schöpfen. Dann öffnete er noch einmal den Mund. »Ich habe es dir nie
gesagt … Um dich zu schützen … Petrus da Silva hat mich erpresst. Er hat mich gezwungen,
die Klage vor Gericht zu führen … Und ich habe getan, was er von mir verlangt
hat … aus Liebe … aus Eifersucht … Aber jetzt, da ich dich allein zurücklasse,
musst du die Wahrheit wissen … Damit du eine Waffe gegen sie hast … Gegen die
Tuskulaner … Vielleicht wirst du sie eines Tages brauchen … Wenn ich dir nicht
mehr helfen kann …«
    Wieder lächelte er sie an, so zärtlich, als hätte er sich gerade
erst in sie verliebt, und der Blick aus seinen Augen war ein einziger inniger
Kuss. Chiara konnte nicht länger an sich halten. Schluchzend warf sie sich über
ihn, und während die Tränen aus ihr hervorbrachen, umarmte sie ihren Mann, ein
letztes Mal, schmiegte sich an ihn, um ihn noch einmal zu spüren, seine Haut,
seine Wärme, seine Liebe.
    Â»Adieu, mein Geliebter … Adieu …«
    Eine lange Weile blieb sie so liegen und weinte und hatte nur den
einen Wunsch, für immer so liegen zu bleiben und zu weinen, bis

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