Der Kinderpapst
den Vorderbeinen ein, machte den Hals
lang und länger und schnürte mit den Nüstern auf dem Boden wie ein Hund. Hatte
eine Lanze den Hengst getroffen? Gregorio sprang aus dem Sattel. Doch er stand
noch nicht auf den FüÃen, da galoppierte sein Pferd davon, mit erhobenem
Schweif und schlagenden Bügeln, während sich ein Wind erhob wie vor einem
Gewitter. Ãberall flatterten Vögel auf, und ein Stöhnen und Ãchzen erfüllte die
Luft, als würde ein Riese sich von seinem Lager in die Höhe stemmen. Im selben
Moment begann die Erde zu beben. Die Häuser und Paläste rings herum schwankten,
Türme taumelten wie betrunken, Fensterläden und Tore sprangen aus den Angeln.
Mit einem Schrei des Entsetzens warf Gregorio sein Schwert fort,
sank auf die Knie und bekreuzigte sich.
»Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns â¦Â«
Es war, als ob der Jüngste Tag gekommen sei. Der Himmel zitterte,
und die Erde barst. Ein Spalt, der bis zur Hölle reichte, tat sich im Boden
auf, mit lautem Getöse stürzte die Tiberbrücke ein und riss Hunderte von
Soldaten mit sich hinab in den Fluss. Gregorio schlotterte am ganzen Körper.
War seine letzte Stunde gekommen, ohne Sieg und Erlösung? Mit lauter Stimme
betete er zur Jungfrau, während seine Zähne so heftig aufeinanderschlugen, dass
er kaum die Worte formen konnte.
»â¦Â jetzt und in der Stunde unseres Todes â¦Â«
Da geschah das Ungeheuerliche. Ein Schrei ertönte, so machtvoll und
laut wie die Hörner, die einst die Mauern von Jericho zum Einsturz gebracht
hatten.
»Sieg! Sieg! Sieg!«
Das war Teofilos Stimme! Verwirrt hob Gregorio den Kopf. Im
gestreckten Galopp raste sein Bruder auf ihn zu, obwohl kein Feind ihm auf den
Versen war.
Hatte er den Verstand verloren?
Als Gregorio über das Schlachtfeld schaute, traute er seinen Augen
nicht. Wohin er blickte, lieÃen die Sabiner die Waffen fallen, machten auf dem
Absatz kehrt und rannten davon. Und während immer noch die Erde bebte wie von
Gottes Zorn, suchten die feindlichen Soldaten das Weite wie Karnickel und
stürzten sich in den Tiber, um schwimmend ans römische Ufer zu gelangen.
Teofilo parierte sein Pferd so scharf, dass die Hufe des Tieres sich
in den Boden bohrten.
»Begreifst du immer noch nicht?«, rief er. »Wir haben sie besiegt!«
Auf der Hinterhand wendete er sein Pferd in die Richtung des
Flusses. Und während er wieder angaloppierte, zückte er sein Schwert und zeigte
mit der Spitze der Klinge auf die Engelsburg.
»Aaaaaaaaaattacke!«
10
Der Geruch frisch aufgeworfener Erde mischte sich in die kühle
Abendbrise, die vom Meer über das Land strich und das Läuten der Totenglocke
davontrug, zusammen mit der Seele des Verstorbenen. Chiara hatte den Leichnam
ihres Mannes von Rom in die Berge überführt, damit Domenico in heimatlicher
Erde die ewige Ruhe fand. Am Nachmittag hatten sie seine sterblichen Ãberreste
bestattet, doch Chiara hatte sich nicht von ihm trennen können und war auf dem
Friedhof zurückgeblieben, um noch einmal mit ihm allein zu sein, wenigstens in
Gedanken. An der Beisetzung hatten auÃer ihr nur Anna und ihr Vater
teilgenommen. Ihr Vater hatte zu der Beerdigung alle Familien Roms und der
Campagna einladen wollen, in der Hoffnung, dass sich die verfeindeten Parteien
am Grab seines Schwiegersohns die Hand zur Versöhnung reichten. Doch Chiara
hatte ihn gebeten, darauf zu verzichten. Zu groà war ihr Schmerz, um die
Gegenwart fremder Menschen zu ertragen. Nur widerwillig hatte ihr Vater ihrem
Wunsch nachgegeben.
Mit einem Seufzer bückte sie sich und legte einen Rosenzweig auf das
braune Erdreich, in dem ihr Mann nun begraben lag, für immer und alle Zeit. Bei
der Vorstellung, nie wieder sein Gesicht zu sehen, nie wieder seine Stimme zu
hören, nie wieder seine zärtliche Liebe zu spüren, krampfte sich ihr Herz
zusammen, und wie aus dem Jenseits hallte eine Frage in ihr nach, die sie seit
der Stunde verfolgte, in der Domenico sein Leben ausgehaucht hatte.
Trug sie die Schuld an seinem Tod?
Die Abendsonne senkte sich über den Friedhofshügel und tauchte das
Grab in dunkle Schatten. Domenico hatte diesen Krieg nicht gewollt. Doch sie
hatte ihn überredet, sich gegen seinen Willen auf die Seite der Sabiner zu
schlagen und in diesen Krieg zu ziehen, als Bedingung ihrer Liebe. Und nun war
er tot und ihr Herz war
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