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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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ihr Kopftuch zurecht. »Es
ist nur ein Gefühl, ich kann es selber nicht erklären. Trotzdem habe ich keinen
Zweifel, dass es so ist. Ich weiß es einfach, vielleicht weil …«
    Ein lauter Schrei unterbrach sie. Der Soldat, der seinen Arm verloren
hatte, war aus seiner Ohnmacht aufgewacht und brüllte sich die Seele aus dem
Leib.
    Â»Branntwein!«, sagte Chiara. »Schnell!«
    Während Anna einen Krug aus dem Keller holte, eilte sie zu dem Mann.
Obwohl er mit seinem gesunden Arm wie von Sinnen um sich schlug, gelang es
Chiara, seinen Mund zu öffnen und ihm ein Stück Holz zwischen die Zähne zu
klemmen.
    Â»Fest zubeißen! Gleich kommt Hilfe!«
    Zum Glück kehrte Anna rasch wieder. Chiara nahm dem Mann den Knebel
aus dem Mund, und während Anna ihn mit beiden Armen festhielt, setzte sie ihm
den Krug an die Lippen und flößte ihm den Branntwein ein. Schluck für Schluck
konnte sie beobachten, wie der Alkohol seine Wirkung tat und der Schmerz
aufhörte zu wüten. Allmählich ließ sein Widerstand nach, dann rollte er mit den
Augen und sank zurück in seine Ohnmacht.
    Â»Jetzt geht es ihm besser«, sagte Anna.
    Erst jetzt sah Chiara sein Gesicht. Er hatte einen schwarzen
Stoppelbart und apfelrote Wangen. Wie alt mochte er sein? Sicher warteten zu
Hause eine Frau und Kinder auf ihn. Bei dem Gedanken durchströmte sie ein
warmes, inniges Gefühl. Erst vor wenigen Stunden hatte sie hier, an derselben
Stelle, mit Domenico gelegen. Noch nie war sie ihm so nahe gewesen wie in
dieser Nacht. Jeder Blick, jede Berührung hatte sie darin bestätigt, dass er
der Mann war, der für sie bestimmt war. Der Mann, von dem sie sich ein Kind
wünschte. Der Mann, mit dem sie das Leben teilen wollte.
    Â»Vielleicht kommt es einfach daher, dass wir uns lieben …«
    Â»Was redest du da?«, fragte Anna.
    Â»Du wolltest doch wissen, warum ich mir so sicher bin, dass Domenico
nichts passiert. Ich glaube, jetzt weiß ich es. Weil ich ihn liebe. Das ist der
Grund. ›Gott ist bei denen, die gebrochenen Herzens sind‹ – so steht es
geschrieben.«
    Anna runzelte die Stirn. »Und was ist mit Teofilo?«
    Als ihre Blicke sich trafen, hatte Chiara plötzlich dasselbe Gefühl,
das sie als kleines Mädchen oft gehabt hatte, wenn Anna ihr in die Augen
schaute. Aber dieses Gefühl verging so schnell, wie es gekommen war.
    Â»Das weiß der Himmel allein«, sagte sie. »Teofilo wird das Schicksal
ereilen, das er verdient.«
    Â»Meinst du wirklich, dass Gott sich darum kümmert?«
    Bevor Chiara eine Antwort geben konnte, betrat ein Ritter den Raum.
    Â»Ist hier noch Platz für Verwundete?«
    Vorsichtig, damit er nicht aufwachte, bettete Chiara den Kopf des
amputierten Soldaten auf den Strohsack. »Wie viele sind es?« Sie erhob sich und
warf einen Blick aus dem Fenster. Draußen vor dem Haus stand ein Ochsenkarren
in der Abenddämmerung.
    Â»Fünf Mann. Aber einer wird die Nacht wohl nicht überleben. Er hat
uns Euer Haus genannt. Ich glaube, er kennt hier jemanden.«
    Â»Antonio!«, rief Anna und eilte hinaus.
    Â»Und wohin jetzt mit den Männern?«, brummte der Ritter.
    Â»Bringt sie hinauf in den ersten Stock«, sagte Chiara. »Da gibt es
noch zwei leere Kammern.«
    Der Ritter ging hinaus, um die Verwundeten zu holen. Chiara folgte
ihm.
    Sie war noch in der Tür, da kam Anna ihr von der Gasse entgegen. Ihr
Gesicht war bleich wie eine Wand.
    Â»Herrgott! Was ist?«, fragte Chiara. »Ist Antonio dabei? Mach doch
den Mund auf!«
    Anna wollte sie in den Arm nehmen. Chiara stieß sie beiseite und
stürzte zu dem Karren, auf dem die Verwundeten lagen.
    Das Erste, was sie sah, war ein blutiges Wams. Im selben Moment
versagten die Beine ihr den Dienst.
    Â»Nein«, flüsterte sie
    Das Wams war ihr so vertraut wie ihr eigenes Kleid. Sie hatte es
selbst mit dem Wappen der Crescentier bestickt.
    Â»Chiara …«
    Ein Gesicht schaute sie an, zwei braune Augen, aus denen alle Liebe
dieser Welt auf sie zu fluten schien.
    Â»Domenico …«
    7
    Die Feuerstellen waren erloschen, und die Nacht breitete ihre
schwarzen Schwingen über dem Heerlager des Papstes aus. Schon früh am Abend
waren die Männer in Schlaf gesunken, müde vom Kampf und vom Wein, den sie
getrunken hatten, um sich für den neuen Tag zu stärken, der für viele von ihnen
der letzte sein

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