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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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Blöße mit seinem
zerschlitzten Oberkleid.
    Â»Wie rührend!«, lachte Gregorio. »Als ob es da was zu verstecken
gäbe!«
    Er gab seinem Wallach schon die Sporen, als er noch einmal stutzte.
Während sein Pferd nervös auf der Stelle tänzelte, beugte er sich aus dem
Sattel und griff nach Chiaras Hand.
    Â»Was ist denn das für ein Ring?«, fragte er. »Den kenne ich doch!«
    Chiara fühlte sich, als habe man sie beim Stehlen erwischt. Was
würde passieren, wenn Gregorio erfuhr, woher sie den Ring hatte? Gregorio war
dafür bekannt, dass er vor nichts zurückschreckte. Auch nicht bei Mädchen.
Angeblich hatte er die Tochter eines Ritters, die sich nicht von ihm hatte
küssen lassen wollen, zu den abscheulichsten Dingen gezwungen …
    Während er sie misstrauisch musterte, schlug in der Ferne eine
dunkle Glocke an. Im selben Moment verstummte das Gejohle, und alle schauten in
die Richtung, aus der das Geläut kam.
    Ugolino wurde blass. Das war die Totenglocke der Sabiner.
    Gregorio grinste über das ganze Gesicht. »Sieht so aus, als wäre
dein Alter gestorben, Ugolino«, sagte er. »Dann bist du ja wohl jetzt der neue
Graf! Schön für uns! Das wird vieles leichter machen.«
    Er hatte noch nicht ausgesprochen, da ertönte eine zweite, ebenso
dunkle Glocke, doch aus der entgegengesetzten Richtung – aus Richtung Süden, wo
die Burg der Tuskulaner sich erhob.
    8
    Obwohl erst Oktober war, fror Ermilina in der dunklen, kaltfeuchten
Halle der Burg so sehr, dass sie am liebsten ein Feuer in dem mannshohen Kamin
angezündet hätte. Doch abgesehen davon, dass ihr Gatte, solange draußen noch
ein einziges Blatt an den Bäumen hing, kaum Brennholz zum Heizen freigeben
würde, sondern höchstens getrockneten Pferdemist, war jetzt keine Zeit zum
Feuermachen. Petrus da Silva Candida, der Kanzler des Vatikans, war vor wenigen
Stunden aus Rom mit einer Nachricht herbeigeeilt, wie sie schlechter nicht sein
konnte: Papst Johannes XIX ., Ermilinas Schwager und
Bruder ihres Mannes, war im Alter von nur achtundvierzig Jahren an der
Schwindsucht gestorben. Wahrscheinlich herrschte in den päpstlichen
Privatgemächern dieselbe ungesunde feuchte Kälte wie in den unbeheizten, nach
Blut und Hundedreck stinkenden Wohnräumen der Tuskulanerburg.
    Â»Und wie soll es nun weitergehen?«, fragte Petrus da Silva.
    Ermilina zog sich fröstelnd den Schal um die Schulter. Der Kanzler
war ein junger Kardinal von gerade dreißig Jahren, eine überaus elegante
Erscheinung mit seiner hoch gewachsenen Gestalt, dem makellos rasierten Gesicht
und dem pechschwarzen, mit Öl geglätteten Haar. Eine etwas zu elegante Erscheinung, nach Ermilinas Geschmack. Obwohl sie den Eindruck hatte,
dass Petrus da Silva allein dem Wohl der heiligen katholischen Kirche zu dienen
trachtete, ihr auch nichts von einer Konkubine, mit der fast alle Vertreter der
Geistlichkeit schamlos das Gelöbnis der Ehelosigkeit brachen, zu Ohren gekommen
war, traute sie diesem aalglatten Menschen nicht über den Weg. Erstens war der
Kanzler zu eitel für einen wahren Gottesmann – angeblich trug er eine mit
Schwanenhaut gefütterte Soutane –, und zweitens hatte Ermilina ihn noch kein
einziges Mal lächeln oder gar lachen sehen. Nie verzog Petrus da Silva das
Gesicht, nie verlor er die Beherrschung, und sein Mienenspiel war so reglos und
unergründlich wie seine grauen Augen. Vielleicht, damit niemand seine faulen
braunen Zähne sah? Um seinen Mundgeruch zu bekämpfen, kaute er fortwährend Pfefferminze.
    Â»Lasst Euch was einfallen«, polterte Alberico, während er mit seinem
steifen Bein, das er seit einem Reitunfall nicht mehr beugen konnte, durch die
mit Jagdtrophäen geschmückte Halle humpelte. »Hauptsache, wir behalten die
Papstwürde in der Familie. Die weltliche und geistliche Macht gehören zusammen!
Mein Amt als Roms erster Konsul ist ohne die Cathedra einen Scheißdreck wert!«
    Â»Aber wer könnte die Nachfolge Eures Bruders antreten?«, erwiderte
Petrus da Silva, der bei dem Fluch einmal kurz zusammengezuckt war.
    Â»Meint Ihr, ich könnte zaubern?«, fragte Alberico zurück. »Wie Ihr
wisst, habe ich bereits zwei Brüder auf den Stuhl Petri gesetzt – nicht nur
Johannes, auch seinen Vorgänger Benedikt. Woher soll ich einen dritten Bruder
nehmen?« Alberico blieb am Kamin vor dem ausgestopften

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