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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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so lange gewartet haben.«
    Â»Ja, das Zeichen«, wiederholte Ermilina und bekreuzigte sich.
»Gelobt sei der dreifaltige Gott.«
    10
    Â»Ein Kind auf dem Papstthron?«
    Schallendes Gelächter ertönte in der Stephanierburg, in deren
holzgetäfeltem Rittersaal sich auf Einladung Girardo di Sassos die Oberhäupter
der römischen Adelsfamilien versammelt hatten, um über die Nachfolge des
verstorbenen Papstes zu verhandeln. Irritiert blickten die Männer sich an.
Wollte Alberico di Tusculo sich über sie lustig machen?
    Â»Ich habe noch nie in meinem Leben etwas ernster gemeint!«
    Wie um seine Worte zu bekräftigen, nahm Alberico einen Schluck Wein
aus seinem Becher und wischte sich mit dem Handrücken über Lippen und Bart. Als
Ermilina ihm von der angeblichen Erscheinung berichtet hatte, war er so wütend
geworden, dass er sie am liebsten verprügelt hätte. Hatte er eine verzückte
Nonne zur Frau, die sich von den Hirngespinsten eines verrückten Einsiedlers
anstecken ließ? Doch dann hatte er erkannt, was für einen wunderbaren Fingerzeig
ihr Unsinn enthielt. Ja, das war die Lösung seines Problems!
    Â»Ich bitte um Ruhe!«
    Der Burgherr stand auf, um sich Gehör zu verschaffen. Alberico
wusste, jetzt würde sich entscheiden, ob sein Vorstoß Erfolg haben würde oder
nicht. Er hatte Girardo di Sasso um Vermittlung gebeten, weil dieser nicht nur
mit den Tuskulanern mehrfach verschwistert und verschwägert war, sondern
aufgrund seines stets um Versöhnung bemühten Wesens sowie der allseitig
verästelten Verwandtschaft seiner Familie mit den meisten anderen Adelsfamilien
der Stadt als ein Mann des Ausgleichs galt, der trotz seiner seltsamen Vorliebe
für das Bibelstudium und einer auffallenden Schreckhaftigkeit ein hohes Maß an
Achtung im römischen Adel genoss.
    Â»Auch wenn ich die Einwände verstehe«, sagte Girardo mit leiser
Stimme, »möchte ich zu bedenken geben, dass ein Knabe auf dem Stuhl Petri für
uns alle von großem Vorteil sein kann.«
    Â»Da sind wir aber gespannt!«
    Â»Dann erlaubt mir, meinen Standpunkt zu erläutern.«
    Unbeeindruckt von den skeptischen Blicken, strich Girardo über
seinen Ziegenbart und schaute so lange in die Runde, bis alle Köpfe auf ihn
gerichtet waren. Alberico war es ein Rätsel, welchen Respekt dieser kleine,
leicht vornüber gebeugte Mann, der in seinem Leben keine einzige Frau vergewaltigt
hatte und mit seiner Tochter irgendwelche Brettspiele mit französischem Namen
spielte, dieser Versammlung kampferprobter Edelleute abnötigte.
    Â»Die Sache ist ganz einfach«, erklärte Girardo schließlich. »Je stärker
das Gewicht des Papstes, desto geringer das Gewicht des Adels. Je schwächer
aber der Papst, umso ruhiger und ungestörter können wir unsere Geschäfte
untereinander regeln.«
    Ein nachdenkliches Raunen ging durch den Saal. Die Proteste
verstummten, hier und da wurde sogar Beifall laut.
    Â»Gar kein so dummer Gedanke.«
    Â»Stimmt! Lieber ein braves Jüngelchen auf dem Thron als irgendein
Quertreiber!«
    Â»Wie der Herr uns gelehrt hat: Lasset die Kindlein zu mir kommen …«
    Ein paar Männer lachten. Doch als Girardo Platz genommen hatte,
setzte bald ein heftiges Geschacher ein, und der Streit um den vorgeschlagenen
Kandidaten für die Cathedra löste sich auf in Streitigkeiten um die Bedingungen
seiner Wahl. Alberico entspannte sich. Auch wenn sein Vorstoß, den Stuhl Petri ein
drittes Mal durch ein Mitglied seiner Familie zu besetzen, keine Begeisterung
auslöste, war letztlich alles eine Frage des Preises – auch das höchste Amt der
katholischen Kirche. Um möglichst viele Stimmen auf seinen Sohn zu vereinen,
versprach er also den anderen Familien großzügig Pfründe und Ämter aus dem
Bestand all jener Bistümer und Pfarreien, die seine Brüder während ihrer
Pontifikate dem Besitz des Vatikans einverleibt hatten. Die meisten Familien
ließen sich ohne größere Umstände auf den Handel ein. Nicht mal die
Crescentier, die seit Generationen mit den Tuskulanern um die Vorherrschaft in
Rom stritten, schlossen Teofilos Wahl kategorisch aus. Nur bei den Sabinern
biss Alberico auf Granit. Ihr Wortführer Severo, der in Begleitung seines ältesten
Sohnes Ugolino erschienen war, wollte nichts von dem Vorschlag wissen.
    Â»Zwei Tuskulaner-Päpste hat Rom bereits

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