Der Kinderpapst
reg dich nicht auf«, sagte Pietro. »Heinrich wird ein bisschen
auf den Putz hauen, um uns Angst zu machen, und dann bestätigt er Teofilo doch
im Amt. SchlieÃlich will er sich Weihnachten krönen lassen, und wo soll er so
schnell einen neuen Papst hernehmen?«
»Heinrich will uns vernichten!«
»Natürlich will er das. Aber er hat kein Recht, den Papst zu ernennen.
Das haben nur die Römer. Und die haben geschworen, keinen anderen Papst zu
wählen, solange Giovanni Graziano lebt. Und soweit ich weiÃ, lebt der alte
Spinner noch, wenn auch in Köln.«
»Und wenn sie auf den Schwur scheiÃen?«
»Hör auf, Gespenster zu sehen. In ein paar Tagen ist alles wieder
gut.«
»Glaubst du?«, fragte Gregorio mit einem Anflug von Hoffnung.
»Bestimmt«, sagte Pietro und pulte an einem Eiterpickel auf seiner
Nase. »AuÃerdem hat Heinrich gar keine Zeit, sich mit Teofilo rumzuschlagen. Er
muss weiter nach Süden. In Kampanien haben sich mehrere Fürsten gegen ihn
erhoben. So was kann sich schneller ausbreiten als ein Buschfeuer. «
»Aber wenn er Teofilo einfach hinrichten lässt?«
»Den Papst?« Pietro drückte sich den Pickel aus. »Das wird er nicht
wagen. Heinrich ist ein frommer Mann.«
Gregorio bekreuzigte sich. »Dein Wort in Gottes Ohren.«
16
Chiara hatte mit Baumwolle die Fensterritzen abgedichtet, damit
die Winterkälte nicht in die Herberge drang, die sie noch rechtzeitig zur
Kaiserkrönung eröffnet hatte. Ihr Vater hatte ihr das Geld geliehen, doch sie
war zuversichtlich, es ihm schon bald zurückgeben zu können. Bis unters Dach
war das Haus vollgestopft mit Pilgern aus aller Herren Länder, und noch immer
klopften weitere an die Pforte und fragten nach einer Unterkunft.
»Langsam weià ich nicht mehr, wo wir die Leute lassen sollen. Manche
schlafen schon zu dritt in einem Bett.«
»Dann müssen sie eben zusammenrücken«, sagte Anna. »Wo drei
hinpassen, passen auch vier hin.«
Während Chiara einen Strohsack aufschüttete, hörte sie ein leises
Greinen. Egal, wie laut es um sie war, dieses Geräusch würde sie immer
heraushören, und wenn die Welt unterging. Sofort lieà sie ihre Arbeit liegen
und trat an das Körbchen, in das sie ihren Sohn gebettet hatte. Nein, sie hatte
sich nicht geirrt, Nicchino war aufgewacht und saugte an seinem Daumen.
»Hast du Hunger, mein kleiner Liebling?«
Sie nahm ihren Sohn auf den Arm und machte die Brust frei. Sobald
sie das Köpfchen angelegt hatte, begann Nicchino zu trinken. Dabei legte er
sein rosa Händchen ganz von allein auf ihren Busen und schaute sie mit seinen
braunen Knopfaugen an, als wolle er ihr etwas sagen. Chiara durchströmte ein
Glücksgefühl, das vollkommen anders war als alle Gefühle, die sie bisher
kannte. Konnte es etwas Schöneres geben?
»Das wird mal ein kluger und kräftiger Mann«, sagte Anna.
»Warum glaubst du das?«
»Weil er in Liebe gezeugt wurde.«
»Was du nicht alles weiÃt â¦Â«
»Lach mich nur aus, aber du wirst schon sehen. Wenn ein Mann sich in
Liebe zu seiner Frau legt, und die Frau erwidert seine Liebe, dann wird ihr
Kind ein Junge und später prachtvoll gedeihen.«
»Und woher kommen dann die Mädchen?«
»Wenn die Eltern sich lieben, aber der Same des Mannes zu dünn ist,
um einen Jungen zu zeugen.«
»Soll das heiÃen, ohne Liebe gibt es keine Kinder?«
»Doch. Aber solche Kinder kommen kränklich zur Welt.«
»So ein Unsinn!«
»Sag, was du willst. Aber so ist die Natur, daran kann kein Arzt was
ändern.«
»Hör auf zu reden und mach lieber die Leinentücher warm, damit ich
meinen Liebling wickeln kann!«
Chiara wartete, bis Nicchino aufhörte zu trinken. Dann nahm sie ihn
von der Brust und öffnete die Bänder, mit denen sie den kleinen Leib fest
eingeschnürt hatte, damit ihr Sohn später, wenn er einmal groà war, nicht krumm
und schief durchs Leben gehen würde, und reinigte seine Haut mit einem in Ãl
und Wasser getränkten Lappen. Sofort fing Nicchino an zu brabbeln und zu lachen.
Chiara musste ihn wieder und wieder küssen. Was hätte sie darum gegeben, wenn
sein Vater noch am Leben wäre.
»Was meinst du?«, fragte Anna, als sie ihr die warmen Tücher
reichte, »wer wird den König wohl zum Kaiser krönen? Benedikt
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