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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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klösterliche Friede von Grottaferrata umfing Chiara wie ein
schützender Mantel, als sie vor dem Altar der Abteikirche niederkniete und das Kreuzzeichen
schlug. Ach, warum hatte ihr Vater ihr nur das Lesen und Schreiben beigebracht?
Sonst wäre ihr Teofilos Nachricht erspart geblieben. Doch jetzt hatten sich
seine Worte in ihre Seele gebrannt und konnten nicht mehr darin ausgelöscht
werden … Was sollte sie tun? Ein Dutzend Mal hatte sie versucht, ihm einen
Antwortbrief zu schreiben, aber jedes Mal, wenn sie zur Feder griff, versagte
ihr die Sprache. Alles in ihr, was lebte und fühlte und liebte, schrie danach,
der Versuchung nachzugeben … Und alles in ihr, was ehrsam und vernünftig und
sittsam war, verbot ihr, der Sehnsucht ihres Herzens zu folgen.
    Durfte sie überhaupt in Erwägung ziehen, Domenico zu verlassen, um
mit Teofilo zu leben? Oder war allein der Gedanke daran schon eine Sünde, die
mit ewiger Verdammnis bestraft wurde?
    Â»Was Gott vereint hat, darf der Mensch nicht scheiden«, erklärte Abt
Bartolomeo, nachdem sie die Beichte abgelegt hatte.
    Sein mildes Gesicht nahm einen so strengen Ausdruck an, dass Chiara
erschrak. Sie hatte so sehr gehofft, dass dieser Mann, der doch in die Herzen
der Menschen blicken konnte und ihre Not sah, ihr einen Ausweg weisen würde.
Doch Bartolomeo wiederholte nur, was ihr Gewissen ihr täglich und stündlich
selber sagte.
    Â»Habt Ihr noch etwas auf der Seele?«, fragte der Abt. »Dann sprecht
es aus, damit der Stachel des Zweifels nicht länger an Euch nagt.«
    Chiara senkte den Blick, beschämt über eine Frage, von der sie fürchtete,
dass der Teufel sie ihr eingegeben hatte. Aber sie hatte keine andere Wahl, sie
musste sie ihrem Beichtvater stellen. Sonst würde sie vielleicht ein Leben lang
ein Glück beweinen, das sie zurückgewiesen hatte, obwohl es ihr beschieden war.
    Â»Und die Totgeburt?«, fragte sie so leise, dass sie kaum ihre eigene
Stimme hörte. »War das nicht ein Zeichen, dass meine Ehe …?«
    Â»Nein!«, erklärte Bartolomeo, bevor sie den Satz zu Ende sprechen
konnte. »Ihr habt kein totes Kind geboren, damit Ihr nun an Eurer Ehe zweifelt.
Gott wollte Euch mit dem tot geborenen Kind vielmehr für Eure Verfehlung
strafen. Habe ich Euch das nicht schon einmal gesagt?«
    Ja, das hatte er. Weil du das Kind in deinem
Herzen nicht gewollt hast, hat Gott es dir genommen, bevor es dir wirklich
gehörte … Die Worte hallten in ihr nach, als hätte jemand eine Tür ins
Schloss geworfen. Die Tür, hinter der ihr Glück verborgen lag.
    Â»Und was soll ich jetzt tun, ehrwürdiger Vater?«
    Â»Euren Mann lieben und ehren, bis dass der Tod Euch scheidet«, entschied
der Abt. »Und alles tun, um ein Kind zu bekommen.«
    Chiara hob den Blick. »Meint Ihr – beten?«
    Â»Das auch, meine Tochter.« Mit einem Lächeln kehrte die Milde wieder
in Bartolomeos Gesicht zurück. »Aber vergesst über das Beten nicht die
Erfordernisse der Natur. Seid Ihr dazu bereit?«
    Chiara zögerte, einen langen, schmerzlichen Augenblick. Dann nickte
sie, um sich in ihr Schicksal zu fügen. »Ja, ehrwürdiger Vater.«
    Ihr Beichtvater legte seine Hand auf ihren Scheitel. »So will ich
Euch in Gottes Namen vergeben«, sagte er dann und bezeichnete mit dem Daumen
ein Kreuz auf ihrer Stirn. »Gehet hin in Frieden.«
    Â»Dank sei Gott, dem Herrn.«
    14
    Petrus da Silva war jede Form von Unordnung verhasst, doch im
Vatikan herrschte seit der Abreise des Kaisers ein Durcheinander wie in der
Sakristei eines betrunkenen Dorfpfarrers. Den ganzen Tag lang hatte er
schwierigste Verhandlungen geführt, mit Vertretern aller Familien Roms und der
Campagna, um das empfindliche Gleichgewicht der Kräfte vor einer Erschütterung
zu schützen, die nicht nur der heiligen Stadt, sondern auch der heiligen
katholischen Kirche allergrößten Schaden zufügen konnte. Und warum? Weil dieser
liebestolle Jüngling, der so wenig Herrschaft über seine Gefühle hatte wie ein
ralliger Kater, es sich in den Kopf gesetzt hatte, Chiara di Sasso zu
ehelichen!
    Mit einem Seufzer trat Petrus an sein Pult. Er hatte Teofilos Wahl
in der Hoffnung betrieben, mit einem Kind auf dem Thron ungestört das Wohl
seiner geliebten Kirche wahren und mehren zu können, statt Rücksicht nehmen zu
müssen auf die selbstsüchtigen Interessen eines Papstes,

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