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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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der sein Amt zum
Vorteil seiner Familie missbrauchte. Doch wenn er gewusst hätte, welche Geister
er damit heraufbeschwor – lieber hätte er einen muselmanischen Eunuchen oder
einen gottlosen, aber berechenbaren Buschräuber zum Stellvertreter Christi
erkoren als Teofilo di Tusculo.
    Hatte er dafür einen unschuldigen Menschen hinrichten lassen und
seine Seele der Gefahr ewiger Verdammnis ausgesetzt?
    Wie ein Mühlstein lastete das Bewusstsein seiner Schuld auf ihm. Er
hatte Ugolino weder leichtfertig noch reinen Gewissens geopfert, er hatte
dieses Kreuz nur auf sich genommen, um die Kirche und das Gottesvolk vor dem
Chaos zu bewahren, das im Falle von Benedikts Entmachtung gedroht hätte. Nie
war ihm ein Entschluss schwerer gefallen als dieser, den er hatte fassen müssen,
als Domenico ihm seine Beobachtungen in der Basilika eröffnet hatte, und er
hatte alle Widerstände in seiner Seele überwunden, um der Vernunft zu
gehorchen. Sollte diese seine Schuld, die größte Sünde, die er jemals auf sich
geladen hatte, umsonst gewesen sein?
    Müde und erschöpft rieb Petrus da Silva sich die Augen. In Stunden
wie dieser fühlte er sich so einsam wie Adam, bevor Gott ihm Eva zur Seite
gegeben hatte. Wie sehr sehnte er sich nach
der Liebe einer Frau, die seine Sorgen teilte, um ihn aus der Einsamkeit
zu befreien, die sein Amt ihm auferlegte und die schwerer zu ertragen war, als
die Enthaltsamkeit des Fleisches. Aber nein, er durfte solche Gemeinschaft
nicht haben, seine Braut war die Kirche, ihr zu dienen, hatte er sein Leben
geweiht.
    Um den fauligen Geschmack im Mund fortzuspülen, der ihn ärger plagte
als die Schmerzen seines eiternden Zahnes, trank Petrus einen Schluck Wasser.
Während er ein Blättchen Pfefferminz kaute, nahm er das Schreiben zur Hand, das
er am Vormittag aufgesetzt hatte, um es im Namen der römischen Edelleute an den
Kaiser zu senden.
    Konnte er damit verhindern, dass Teofilos Raserei über Vernunft und
Maß triumphierte?
    Während er noch einmal Wort für Wort den Text durchging, öffnete ein
Diener die Tür.
    Â»Eminenz, der Heilige Vater.«
    Bevor Petrus da Silva niedersinken konnte, stand Benedikt vor ihm.
    Â»Habt Ihr die Kardinäle unterrichtet, dass der Kaiser eine Synode
einberufen wird?«, fragte er, ohne ihm die Hand zum Kuss entgegenzustrecken.
    Â»Ich muss Euch enttäuschen, Ewige Heiligkeit«, erwiderte Petrus.
»Weder habe ich die Kardinäle bis jetzt unterrichtet, noch gedenke ich, es je
zu tun. Im Gegenteil. Ich habe sichergestellt, dass die Synode nicht
stattfinden wird.«
    Â» Was habt Ihr?«
    Â»Wenn Ihr den Pfad der Tugend verlasst, Ewige Heiligkeit, ist es
meine Pflicht, Euch auf diesen Pfad zurückzuführen.« Er nahm das vorbereitete
Schreiben von seinem Pult. »Ein Sendbrief an den Kaiser. Darin kündigen die
Edelleute der Stadt Rom Konrad die Gefolgschaft für den Fall, dass er eine
Synode zur Abschaffung des Zölibats einberuft.«
    Â»Das wagt Ihr, mir ins Gesicht zu sagen?«
    Â»Ein Gebot der Vernunft und des Glaubens«, erklärte Petrus. »Weder
die Kirche noch die Heilige Stadt darf von einem Papst regiert werden, der in
Sünde lebt.«
    Für einen Moment sah Benedikt aus, als wolle er sich auf ihn werfen.
Doch plötzlich straffte er sich und schaute seinem Kanzler fest in die Augen.
Mit einem Anflug von Bestürzung erkannte Petrus, wie sehr Teofilo sich
gewandelt hatte. Nein, das war kein liebestoller Jüngling mehr, kein hilfloser
Sklave seiner Gefühle. Der Jüngling war zum Mann gereift.
    Â»Ihr verweigert mir den Gehorsam?«, fragte Benedikt. »Nun, dann
werde ich mir den nötigen Respekt verschaffen.«
    Ohne eine Erwiderung abzuwarten, wandte er sich ab und verließ die
Kanzlei.
    Petrus nickte. Ab heute gab es eine neue Größe im römischen
Machtgefüge. Denn wer Herrschaft über sich selbst hatte, der hatte auch das
Zeug, Herrschaft über andere Menschen zu gewinnen.
    15
    Mit Ehrfurcht gebietender Strenge blickten die Gesichter der Heiligen
und Kirchenväter von den Wänden auf den Besucher herab, der den Audienzsaal des
Papstes betrat, und sogar Teofilo selbst, der doch jede Woche hier die
Kurienkardinäle empfing, verspürte noch immer ein leichtes Schaudern, wenn er
unter den prüfenden, an das Jüngste Gericht gemahnenden Blicken auf seinem
Thron Platz nahm. Falls es einen Ort gab, an dem ein Mensch

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