Der Kinderpapst
war er genauso entsetzt über Teofilos Pläne wie
sie. Warum? Weil er um seinen Einfluss auf den Papst fürchtete? Oder weil auch
er von der Ãberzeugung geleitet wurde, dass es Teofilos Bestimmung war, allein
und ungeteilt für Gott zu leben, so wie einst Jesus Christus?
Ermilina reichte Petrus da Silva die Hand. »Wollen wir Freunde sein,
Eminenz?«
»Es wäre mir eine Ehre«, erwiderte der Kanzler mit einer Verbeugung.
»Und seid versichert, edle Herrin â ich werde alles tun, was in meiner Macht
steht, um die Synode zu verhindern.«
11
⦠wenn Du Mühe hast, meine Schrift zu
entziffern, wundere Dich nicht. Während ich Dir diese Zeilen schreibe, zittert
meine Hand so sehr, dass ich kaum die Feder zu führen vermag. Doch keine Angst,
sie zittert nicht, weil ich krank bin oder Fieber habe, sondern vor Freude! Vor
lauter Freude, mein geliebtes Herz! â¦
Den ganzen Weg von Rom bis in die Berge hatte Chiara warten
müssen, um endlich den Brief zu lesen, den Teofilo ihr zugesteckt hatte. Was
bei allen Heiligen war geschehen, dass er ihr heimlich schrieb? Noch nie war
ihr die Strecke so endlos lang vorgekommen, dabei hatte der Wagenlenker die
Pferde unaufhörlich angetrieben und in Ariccia sogar das Gespann gewechselt. In
ihrer Aufregung hatte Chiara kein einziges Schlagloch gespürt und voller
Ungeduld nur jede Wegmarke herbeigesehnt, die sie ihrem Ziel näherbrachte.
Während Domenico die ganze Fahrt über Andeutungen von einer Ãberraschung
machte, die zu Hause auf sie warten würde, hatte sie immer wieder verstohlen
nach ihrem Ãrmel getastet, um sich zu vergewissern, dass der Brief tatsächlich
dort steckte und sie nicht nur geträumt hatte. Und kaum hatten sie die Burg
erreicht, war sie von dem Karren gesprungen und hatte sich in ihre Kammer
geflüchtet, um allein und ungestört mit Teofilos Worten zu sein.
⦠Ja, Chiara, es gibt eine Möglichkeit, wie
wir zusammen leben können. Der Kaiser hat mir seine Hilfe versprochen, und so
Gott will und Du es über Dich bringst, Domenico zu verlassen, sind wir schon
bald vereint â¦
Mit einem Seufzer streifte sie sich das Kopftuch vom Haar.
Obwohl sie nicht alles verstand, was Teofilo schrieb, berührte sie die
sehnsuchtsvolle Hoffnung, die aus jeder seiner Zeilen sprach, wie eine
unfassbare, übermächtige Versuchung. Sollte es wirklich möglich sein? Sie und
Teofilo ⦠für immer ein Paar? Es würde die schlimmste Sünde sein, die sie je
begangen hatte, und vielleicht würde sie dafür in der Hölle büÃen müssen. Aber
es war das Schönste, was sie sich vorstellen konnte, und ja! ja! ja! â sie
wollte diese Sünde begehen, mit jeder Faser ihres Leibs!
»Chiara?«
Es klopfte an der Tür. Eilig lieà sie den Brief im Ãrmel ihres
Gewands verschwinden.
»Herein!«
Domenico trat in die Kammer. »Ich wollte nur schauen, wo Ihr
bleibt«, sagte er. »Anna trägt schon das Essen auf. AuÃerdem â¦Â« Er machte eine
Pause und sah sie voller Erwartung an. »Ich war so neugierig, ob Euch meine
Ãberraschung gefällt.«
»Ãberraschung?«
»Ja, habt Ihr denn keine Augen im Kopf?«
Erst jetzt erblickte Chiara das kleine hölzerne Modell, das der
Tischler nach Domenicos Anweisungen angefertigt hatte. Obwohl es mitten im Raum
stand, hatte sie es nicht gesehen.
»Ist das ⦠die Lustvilla?«, fragte sie unsicher.
Domenico schüttelte den Kopf. »Nein, das ist das Armenhaus, das wir
in Rom bauen werden. Ich weià doch, wie sehr Euch die Not der Menschen am
Herzen liegt.« Er machte einen Schritt auf sie zu und berührte ihren Arm. »Ich
bin so stolz, dass ich eine solche Frau habe wie Euch.«
Chiara wusste nicht, was sie erwidern sollte. Womit hatte eine Frau
wie sie einen solchen Mann verdient?
»Danke«, sagte sie leise. »Ihr seid so freundlich zu mir.«
»Unsinn!«, erwiderte er. »Ihr könnt mir keine gröÃere Freude machen,
als wenn ich Euch eine Freude machen darf.« Er hob ihr Kinn und schaute sie an.
»Habt Ihr Euch denn gefreut?«
»Ja, natürlich«, sagte sie. »Es ist nur â¦Â«
Sein zärtlicher Blick erfüllte sie mit solcher Scham, dass sie den
Satz nicht zu Ende brachte. Spürte er denn nicht, wie unaufrichtig, wie
verlogen sie war? Jeden Vorwurf hätte sie besser ertragen können als diese
bedingungslose
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