Der Kinderpapst
Heiligkeit â¦Â«
Wieder sank sie in einem Knicks zu Boden. Wie sollte das nur enden?
Während Domenico ihr seinen Arm reichte, um sie an ihren Platz zurückzuführen,
hob Teofilo seine behandschuhte Hand.
»Gehet hin in Frieden«, sagten seine Lippen.
Chiara hörte die Worte nicht, sie hörte nur, was sein Herz zu ihr
sagte, in einer Sprache, die allein sie und er verstanden.
Noch immer schaute er sie an, mit seinen groÃen grünen lächelnden
Augen, als sie sich rückwärts schreitend vom Thron entfernte. Sie wusste, es
war verrückt, was sie verband â aber war ein solcher Augenblick, und wenn es
der letzte war, den sie mit ihm tauschte, nicht alle Qualen wert, die sie für
ihn erlitten hatte? Sie hatte nur einen Wunsch: dass er die roten und goldenen
Strümpfe sah, die sie für ihn angezogen hatte.
Erst als sie ihren Platz erreichte, spürte Chiara in ihrer Hand
Teofilos Brief. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie er ihn ihr zugesteckt hatte.
10
Ermilina wusste, es war Sünde, am Freitag SüÃigkeiten zu naschen,
noch dazu in der Stunde, in welcher der Gottessohn ans Kreuz geschlagen worden
war. Doch sie war so über alle MaÃen glücklich, dass sie der Versuchung nicht
widerstehen konnte. Während sie den Ornat ihres Sohnes sorgfältig auf Flecken
und Beschädigungen überprüfte â eine Aufgabe, die niemand auÃer ihr im
päpstlichen Haushalt verrichten durfte â, nahm sie also noch eine der
köstlichen sizilianischen Datteln, die sie über alles liebte und von denen sie
in ihrem Nähkästchen stets einen kleinen Vorrat versteckt hielt. Das Wunder,
das sie in so vielen Gebeten herbeigefleht hatte, war geschehen: Gott hatte den
Kaiser über die Alpen geschickt, um Teofilo wieder in sein Amt einzusetzen!
Alle römischen Familien, sogar die Sabiner, hatten ihm erneut die Treue
geschworen!
»Ich muss mit Euch sprechen.«
Ermilina schaute von ihrer Arbeit auf. In der Tür stand Petrus da
Silva, der Kanzler ihres Sohnes.
»Ich habe Euch gar nicht anklopfen hören!«
»Euer Sohn hat uns alle an der Nase herumgeführt!«, stieà Petrus da
Silva hervor, während er mit einer Heftigkeit, die Ermilina nicht an ihm
kannte, die Tür hinter sich schloss. »Ich wollte mit dem Kaiser verhandeln, um
Geld und Pfründe und Lehen, zur Tilgung unserer Schulden, als Gegenleistung für
die Exkommunikation des Mailänder Bischofs. Aber dieser Grünschnabel, dieses
dumme, einfältige Kind â¦Â«
»Ihr sprecht von Seiner Heiligkeit dem Papst!«, fiel sie ihm ins
Wort. »Was werft Ihr ihm vor?«
»Er hat auf alles verzichtet und Eriberto exkommuniziert, wie der
Kaiser es gewünscht hat, ohne irgendeinen Vorteil für die Kirche daraus zu
ziehen. Nur weil Konrad ihm versprochen hat, ihn bei der Abschaffung des
Zölibats zu unterstützen!«
Ermilina verstand kein Wort. »Mein Sohn will den Zölibat abschaffen?
Zu welchem Zweck sollte er das tun?«
»Um Chiara di Sasso zu heiraten!«
»Aber die ist doch verheiratet! Gott sei Dank!«
»Nur weil sie vor einem Priester diesem Crescentier das Jawort
gegeben hat?« Petrus da Silva schnaubte durch die Nase. »Wenn der Zölibat erst
abgeschafft ist, bedarf es nur noch der Annullierung ihrer Ehe, und der Weg ist
frei für die Hochzeit des Papstes mit Girardos Tochter.«
Erst jetzt sah Ermelina den Fleck auf Teofilos Alba. Ein Fleck von
der Art, wie sie ihn von allen ihren Söhnen kannte.
»Und der Kaiser hat wirklich versprochen, diesen gotteslästerlichen
Plan zu unterstützen?« Eilig legte sie die Alba beiseite, damit der Kanzler
nichts sah.
»Ich bin mir nicht sicher«, erwiderte Petrus da Silva, »ob Konrad es
tatsächlich ernst meint. Aber sein Versprechen hat immerhin gereicht, um Euren
Sohn die Interessen der Kirche und Eurer Familie in Cremona schändlich verraten
zu lassen.«
»Und was jetzt?«
Petrus da Silva zögerte »Wenn eine Frau ins Spiel kommt«, sagte er
und strich sich über das rasierte Kinn, »verwirren sich die Dinge und geraten
auÃer Kontrolle. Das dürfen wir nicht dulden.«
Ermilina fröstelte. Sie hatte diesen aalglatten, eitlen Kardinal,
der niemanden in sein Herz schauen lieÃ, nie wirklich leiden können. Aber hatte
sie sich vielleicht in ihm geirrt? Das sonst so blasse Gesicht des Kanzlers
wies rote Flecken auf, offenbar
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