Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
sich seiner Schuld
und Verderbnis innewurde, dann dieser!
    Aus eben diesem Grund hatte er den Audienzsaal für die anstehende
Unterredung gewählt. Der Saal flößte jedermann Respekt ein – hoffentlich würde
er auch bei dem Mann, den Teofilo heute zu sich gerufen hatte, seine Wirkung
nicht verfehlen. Im Streit mit seinem Kanzler hatte er begriffen, dass es nicht
reichte, den Kaiser an seiner Seite zu wissen, um seinen Willen durchzusetzen.
Er brauchte auch einen Verbündeten in der Stadt, sonst war er Petrus da Silva
auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Doch als Kandidat, der über genügend Macht
verfügte, um die Autorität des Papstes in der Patrizierschaft zu garantieren,
war ihm nur ein Mann eingefallen: ein Mann, der ihn seit seiner Kindheit
beneidete und ihn darum hasste wie kein zweiter.
    Â»Der Konsul von Rom!«
    Zwei Gardisten öffneten die Flügeltür, und herein trat Gregorio. Bei
seinem Anblick musste Teofilo tief Luft holen. Es war, als betrete sein eigener
Vater den Raum: die kraftstrotzende Erscheinung, das wettergegerbte Gesicht,
der wallende Bart – sogar die künstliche Stirnglatze, die sein Bruder sich seit
einiger Zeit scheren ließ, um die Ähnlichkeit mit seinem Erzeuger noch zu
unterstreichen, erinnerte an den toten Grafen von Tuskulum.
    Für einen Moment sank Teofilos Mut. Konnte er diesen Kampf überhaupt
gewinnen? Er wusste, es gab nur einen Weg, um es herauszufinden.
    Â»Warst du an dem Anschlag im Petersdom beteiligt?«, fragte er, ohne
sich mit Vorreden aufzuhalten.
    Sein Bruder zuckte zusammen. »Bist du wahnsinnig?«, erwiderte er.
»Natürlich nicht! Wie … wie kannst du nur so etwas …«
    Â»Wolltest du mich töten?«, fiel Teofilo ihm ins Wort. »Um an meine
Stelle zu treten?«
    Â»An DEINE Stelle?«
    Â»An wessen Stelle sonst?« Teofilo ließ sich nicht beirren. »Ich habe
deine Beichte gehört, in der Einsiedelei.«
    Gregorio wurde blass. »Was hast du gehört?«
    Â»Genug, um zu wissen, dass du mich ermorden wolltest«, erklärte
Teofilo.
    Â»Das ist nicht wahr! Ich wollte dich nicht ermorden! Das schwöre ich
bei Gott!«
    Â»Hör auf zu lügen! Nur der Anschlag auf unseren Vater hat mich
gerettet.«
    Gregorio kaute an seinen Nägeln, als würde er verhungern, und der
Ausdruck in seinem Gesicht wechselte von blöder Fassungslosigkeit zu blankem
Entsetzen. Teofilo entspannte sich. Kein Zweifel, er hatte ins Blaue gezielt,
doch ins Schwarze getroffen.
    Â»Das … das kannst du nicht beweisen«, stammelte Gregorio.
    Â»Und ob ich das kann«, erwiderte Teofilo. »Ich brauche nur Giovanni
Graziano zu befragen.«
    Â»Der darf nichts verraten. Das Beichtgeheimnis …«
    Â»Mag sein. Aber was ist mit Gott? Glaubst du, du kannst ihn ebenso
betrügen wie mich?«
    Â»Gott?«, wiederholte Gregorio.
    Â»Ja, Gott«, bestätigte Teofilo. »Egal, was du vor mir und der Welt
behauptest: Ihm bleibt nichts verborgen. Und er wird jeden strafen, der seine
Gebote verletzt.«
    Gregorio wollte etwas sagen, doch sein Mund blieb stumm. Mit
aufgerissenen Augen starrte er Teofilo an. Wortlos nach Luft schnappend,
ruderte er mit den Armen, pumpte sich auf, sein Brustkasten wogte, auch sein
Schädel schwoll an und wur-de rot. Da zerfiel plötzlich sein Gesicht, sein
Minenspiel wurde zum Blitzgewitter, und während er unverständliche Laute brabbelte, schlug er das Kreuzzeichen und warf
sich zu Boden.
    Â»Vergib mir!«, rief er und umfasste mit beiden Händen Teofilos
Pantoffeln. »Beim Andenken unseres Vaters! Ich bin dein Bruder!«
    Â»Das heißt – du bereust?«
    Â»Ich muss von Sinnen gewesen sein und bin zu jeder Buße bereit! Du
musst mir vergeben! Ich flehe dich an! Du bist der Papst! Ich will nicht in der
Hölle brennen! Wenn du mir vergibst, vergibt mir auch Gott.«
    Unsicher schaute Teofilo auf Gregorio herab. War das tatsächlich die
Wirkung seiner Worte? Er konnte es kaum glauben. Sein Bruder zitterte am ganzen
Leib, als hätte er die Fallsucht, und sein Blick flackerte vor Angst.
    Teofilo beschloss, die Gunst der Stunde zu nutzen, und holte aus dem
Ärmel seiner Alba das Schreiben hervor, das er für diese Begegnung aufgesetzt
hatte: »Steh auf«, sagte er und streckte ihm das Pergament entgegen.
    Â»Was … was ist das?«, stammelte Gregorio und lugte in die Höhe.
    Â»Dein

Weitere Kostenlose Bücher