Der Kinderpapst
wissen! Aber es ist doch so! Er schweigt
und schweigt und schweigt. Und weiÃt du auch, warum? Weil es ihn gar nicht
gibt, deinen Gott! Er ist eine Lüge! Eine Erfindung! Soll ich es dir beweisen?«
»Schweig, Teofilo! Ich beschwöre dich! Gott wird dich fürchterlich
strafen!«
»Gott? Mich strafen? Dass ich nicht lache!«
»Bitte, mein Junge. Wasch dich, und wechsle endlich die Kleider, ich
habe alles für dich bereitgelegt. Die Messe! Die Leute warten auf dich. Hörst
du nicht die Glocken?«
Sie wollte ihn umarmen, aber er stieà sie so heftig von sich, dass
sie zurücktaumelte.
»Ich verfluche deinen Gott!« Drohend reckte er seine Faust in die
Höhe. »Ja, ich verfluche dich! Euch alle drei! Gottvater, Gottsohn und Heiliger
Geist!«
Ermilina bekreuzigte sich. Gleich würde der Boden aufreiÃen und der
Teufel ihren Sohn holen. Während Ermilina ein stummes StoÃgebet zum Himmel
schickte, blickte Teofilo sie voller Triumph an.
»Siehst du? Nichts ist passiert! Gar nichts!«
Er drehte sich um, nahm ein Kreuz von der Wand und spuckte auf den
hölzernen Heiland.
»Bei deiner Seele!« Ermilina griff sich an die Brust und hielt sich
mit der anderen Hand an einer Stuhllehne fest.
»Warum, zum Teufel, bestrafst du mich nicht?« Teofilo starrte voller
Flehen auf den Heiland. »Wenn du mich strafen willst, tu es jetzt! Damit ich
weiÃ, dass es dich gibt!« Mit beiden Händen umklammerte er das Kreuz, sodass
die Knöchel weià hervortraten, während seine Lippen sich zum Gebet formten. »Herr, ich bin nicht würdig, dass Du eingehst unter mein Dach.
Aber sprich nur ein Wort, und so wird meine Seele gesund â¦Â«
Er hatte die Worte mit der Inbrunst eines Verzweifelten geflüstert.
Doch wieder war nur regloses, böses Schweigen die Antwort, während drauÃen
weiter die Glocken schlugen.
»Leck mich doch am Arsch!«, schrie Teofilo auf und warf das Kruzifix
zu Boden.
Dann schlug er seine Hände vors Gesicht und brach in Tränen aus.
8
»Gehet hin in Frieden!«
»Dank sei Gott dem Herrn.«
Petrus da Silva bekreuzigte sich. Endlich war das unwürdige
Spektakel vorbei. Lallend, als wäre er nicht in St. Peter, sondern im
Wirtshaus, hatte Benedikt die Mitternachtsmesse zelebriert. Er war so betrunken
gewesen, dass er sich während der Feier immer wieder am Altar hatte festhalten
müssen, um auf den Beinen zu bleiben. Nachdem er den Schlusssegen gespendet
hatte, schwankte er nun durch den Altarraum. Petrus da Silva schaute ihm nach,
bis er mit seinen Messdienern in der Sakristei verschwunden war.
Sollte dies Gottes wahrer Stellvertreter sein?
Mit dem Strom der Gläubigen verlieà Petrus die Basilika und trat
hinaus in die Nacht. Als wäre es gestern gewesen, erinnerte er sich an das
Konsistorium, in dem Benedikt erstmals das Wort ergriffen hatte, um von seinem
Amt als Papst Gebrauch zu machen â ein Jüngling, der noch nicht mal im Stimmbruch
gewesen war. Mit welchem Eifer hatte er damals versucht, die Kardinäle auf das
Wort Gottes zu verpflichten und sie zur Einhaltung von Armut, Keuschheit und
Gehorsam zu ermahnen. Doch jetzt versündigte Benedikt sich schlimmer gegen die
Tugenden des Heilands als die Kardinäle, die ihn damals verhöhnt und verspottet
hatten. Er saugte sein Volk bis aufs Blut aus, um zu prassen, er trieb sich in
Hurenhäusern herum und empörte sich gegen Gott und den Heiligen Geist.
War das der Preis für den Verzicht, den man ihm in jungen Jahren
abverlangt hatte? Für den Verzicht auf die Liebe einer Frau?
Die Worte des Apostels Paulus kamen Petrus in den Sinn. Ich wollte lieber, alle Menschen wären, wie ich bin. Doch ein
jeglicher hat seine eigene Gabe von Gott, einer so, der andere so ⦠Nein,
Teofilo di Tusculo hatte weder die Kraft noch den Glauben, um sich der
fleischlichen Genüsse zu enthalten. Vielmehr beherrschte die Begierde ihn so
sehr, dass sie alles Gute in ihm zu zerstören drohte. Sein Vater, der alte
Tuskulanergraf, hatte es gewusst und ihm Weiber zugeführt.
Sollte man Benedikt vielleicht ermuntern, sich eine Konkubine zu
nehmen? Bevor der Liebestrieb ihn und sein Amt vollständig ruinierte?
»Auf ein Wort, Eminenz!«
Als Petrus da Silva in seine Kanzlei zurückkehrte, wurde er bereits
erwartet. Kardinal Pisano, der Zeremonienmeister, sowie die Kardinäle
Baldessarini und Giampini empfingen ihn in der
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