Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
Vom Netzwerk:
Seele.
    Â»Da! Seht! Die Hure des Papstes!«
    Â»Wo!«
    Â»An dem Stand da hinten!«
    Chiara hatte gerade eine geschnitzte Madonna aus der Auslage
genommen, als die Rufe ertönten. Auf dem Absatz fuhr sie herum. Ein vornehmer
Patrizier mit rotem Umhang und schwarzer Fellmütze zeigte mit dem Finger auf
sie.
    Â»Meint der etwa Euch?«, fragte Giulia verwundert.
    Â»Unsinn!«, erwiderte Chiara und spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht
schoss. »Wie kommst du darauf?«
    Giulia schaute sie misstrauisch an, doch sie hielt dem Blick stand.
    Â»Verzeiht, Herrin. Was für eine dumme Frage.«
    Während Giulia sich wieder um die Pilger kümmerte, stellte Chiara
sich auf die Zehenspitzen, um nach dem Mann zu schauen, der auf sie gezeigt
hatte. Doch bevor sie das Gesicht erkennen konnte, drängten sich schon wieder
so viele Menschen an ihrem Stand, dass sie ihn in dem Gewühl aus den Augen verlor.
    Sie schüttelte sich, wie wenn man aus einem schlechten Traum
aufwacht.
    Â»Was meinst du, wie viel können wir für die Madonna verlangen?«,
fragte sie Giulia. »Einen halben oder einen ganzen Soldo?«
    Â»Lasst mich mal sehen.« Guilia nahm die Madonna und ließ die Klappe
aufspringen, mit der man die Figur öffnen konnte. Im Bauch der Muttergottes saß
das Jesuskind. »Natürlich einen ganzen Soldo, für so
ein Prachtstück«, entschied Giulia. »Wir haben schließlich nichts zu
verschenken!«
    Â»Du bist geldgieriger als ein Fischweib«, lachte Chiara.
    Noch während sie sprach, ging ein Raunen über den Platz, und im
nächsten Augenblick sanken überall Menschen nieder und bekreuzigten sich.
    Ein Soldat stieß Chiara gegen die Schulter.
    Â»Auf die Knie! Seine Heiligkeit der Papst!«
    10
    Â»Es lebe der Papst!«
    Â»Es lebe Benedikt!«
    Das Throngestühl, das ein halbes Dutzend Diakone auf den Schultern
durch das Menschenmeer trug, schwankte so bedrohlich, dass Teofilo sich fühlte
wie auf hoher See. Begleitet vom Glockengeläut der Kirchen sowie den immer
gleichen Gesängen und Gebeten der Priester, zog die Prozession seit dem frühen
Morgen durch Rom, von Trastevere zum Pantheon und wieder zurück nach St. Peter,
damit die Bewohner sämtlicher Quartiere der Stadt Gelegenheit hatten, den
Heiligen Vater zu sehen und seinen Segen zu empfangen.
    Bei jeder Neigung seines Throns hatte Teofilo Angst, dass die
Unmengen von Wein, die er in sich geschüttet hatte, ihm über die Lippen
schwappten und sich auf Petrus da Silva ergossen, der ihn zu Fuß begleitete,
zusammen mit seinem Bruder Gregorio sowie einem Regiment Soldaten. Doch mehr
noch als die Übelkeit setzte ihm die brütende Mittagshitze zu. Nur durch einen
Nebel aus Kopfschmerz und weingetränkter Müdigkeit sah er den blauen Himmel, die
beflaggten Häuser und Kirchen, die zahllosen Menschen, die links und rechts zu
Boden sanken und ihm auf den Knien ihre Medaillons und Heiligenbilder und
Kruzifixe entgegenstreckten, erinnerte er sich dunkel an den Versuch seines
Kanzlers, ihm eine Konkubine schmackhaft zu machen. Petrus da Silva hatte ihm
sogar eine Kandidatin vorgeschlagen – Valentina, eine Sabinerin und Nichte
Kardinal Giampinis, die angeblich schöner war als Cleopatra. Doch Teofilo hatte
den Kanzler zum Teufel gejagt. Es gab nur eine Frau die er liebte, und die
konnte er nur vergessen, wenn er zu den Huren ging.
    Â»Den Segen!«, zischte Petrus da Silva.
    Â»Wie? Was!«, fragte Teofilo, der, eingelullt vom Schaukeln des
Throns sowie dem monotonen Singsang der Gebete, für einen Moment eingenickt war.
    Â»Den Segen!«, wiederholte der Kanzler. »Ihr müsst Euer Volk segnen!«
    Â»Herrgott, wie oft denn noch? Mir ist schon der Arm lahm!«
    Â»Mag sein, Ewige Heiligkeit! Aber Ihr dürft die Menschen nicht
enttäuschen.«
    Gott sei Dank, dass der Spuk bald vorbei war! Noch ein Hochamt im
Petersdom, dann hatten die Feiern zu seinem Jubiläum ein Ende. Teofilo hob den
schweren goldenen Weihwassersprengel, um den Segen zu spenden, zum tausendsten
und abertausendsten Mal. Während sein ganzer Oberkörper von der immer gleichen Bewegung
schmerzte, brandete Jubel auf.
    Angewidert schloss Teofilo die Augen. Die Begeisterung der Gläubigen
machte alles noch schlimmer. Ahnten die Menschen denn nicht, was für ein fauler
Zauber das war? Sie waren hier, um Gott und seinen Stellvertreter zu preisen.
Doch Gott war eine

Weitere Kostenlose Bücher