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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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warteten, angelockt von dem Duft, den Annas Eintopf auf der Gasse
verströmte, Dutzende von Bettlern auf ein Essen. Seit Chiara die Werkstatt
betrieb, konnte sie zehnmal so viele Menschen verköstigen wie zuvor.
    Â»Und wohin soll die Fuhre gehen?«
    Â»Zum Petersdom«, erwiderte Chiara.
    Â»Oh – wirklich?« Giulia strahlte.
    Â»Ja, du bist schließlich unsere beste Verkäuferin.«
    Zusammen stellten sie den Korb auf den Karren, dann nahm Giulia den
Esel am Zügel und machte sich auf den Weg. In der Werkstatt war die
Gewürzhändlerin mit ihren zwei linken Händen keine große Hilfe, dafür stellte
sie sich umso geschickter beim Verkauf an, sodass Chiara beschlossen hatte, ihr
den wichtigsten Stand in der ganzen Stadt anzuvertrauen, den Stand vor der
Basilika des Papstes, wo Priester aus Grottaferrata die Devotionalien vor den
Augen der Pilger mit Weihwasser weihten, um so den Preis zu verdoppeln. Obwohl
die Feiern zu Benedikts Thronjubiläum noch nicht mal richtig begonnen hatten,
verkauften sie schon jetzt jeden Tag mindestens eine Fuhre von Kruzifixen,
Figuren und Bildern. Wie viele würden es erst sein, wenn die Festwoche begann?
Während Chiara dem Karren nachblickte, rieb sie sich die Arme. Zwar schmerzte
ihr ganzer Körper, aber das Gefühl, das Richtige zu tun, wog weitaus stärker.
Ja, Abt Bartolomeo hatte Recht: Arbeit half – wer arbeitete, konnte vergessen.
    Â»Essen ist fertig!«, rief Anna.
    Chiara wandte sich zum Haus, um beim Austeilen des Eintopfs zu
helfen. Da erblickte sie am Ende der Gasse ein Fuhrwerk.
    Domenico!
    Wie so oft, wenn sie ihren Mann plötzlich sah, durchströmte sie ein
warmes Gefühl. Domenico hatte sie nie gedrängt, ihr alle Zeit gelassen, damit
sie die richtige Entscheidung treffen konnte … Und sie hatte sie getroffen …
Eilig raffte sie ihre Röcke, um ihm entgegenzulaufen, doch nach ein paar
Schritten stutzte sie. Wie um Himmels willen sah er aus? Sein Gesicht war
schwarz von Ruß, seine Kleider hingen ihm in Fetzen vom Leib, und hinter dem
Fuhrwerk folgte eine Schar zerlumpter Bauersleute mit einem Dutzend Kinder, die
so verängstigt dreinschauten, als habe man sie der Hölle entrissen.
    Â»Jesus Maria – was ist passiert?«, fragte Chiara, als sie bei ihrem
Mann war.
    Â»Kein Grund zur Sorge.« Domenico gab ihr einen Kuss auf die Wange.
»Mir ist nichts geschehen. Aber hast du vielleicht Arbeit für diese Leute? Sie
haben alles verloren. Teofilos, ich meine – Benedikts Soldaten haben ihren Hof
zerstört und alles geraubt, was sie hatten.«
    Chiara schaute in sein Gesicht, seine sanften braunen Augen, das
liebevolle Lächeln. Was Gott vereint hat, darf der Mensch
nicht scheiden … Wie hatte sie so verrückt sein können, an diesen Worten
zu zweifeln? Ohne auf den Ruß und Schmutz zu achten, der Domenico und seinen
Kleidern anhaftete, schlang sie die Arme um ihn und drückte ihn an sich.
    Â»Ich glaube«, flüsterte sie, »ich habe den besten Mann der Welt.«
    6
    Â»Na, Süßer, wie gefällt das deiner Heiligkeit?«
    Sofia, die nackt zwischen Teofilos Schenkeln kniete, warf ihre roten
Locken in den Nacken und schaute fragend zu ihm in die Höhe. Ihr
karmesingefärbter Mund war verschmiert wie bei einem Kind, das gerade vom
Marmeladentopf genascht hat.
    Â»Im Moment fühlt sich meine Heiligkeit wie im Fegefeuer«, stöhnte
Teofilo.
    Â»Dann wird’s aber höchste Zeit für die Himmelfahrt!«
    Sofia schob seine Alba noch ein wenig höher und beugte sich dann
wieder über seinen Schoß. Mit einem Seufzer schloss Teofilo die Augen. Konnte
es eine würdigere Art geben, die Feierlichkeiten zu seinem Thronjubiläum
einzuläuten? Lang würde es nicht mehr dauern, bis er die Glocken des Paradieses
zu hören bekam.
    Â»Vergiss nicht zu trinken, Bruderherz!«
    Gregorio, der sich mit der Hausherrin vergnügte, reichte ihm einen
Becher Wein. Signora Giustina galt als die verdorbenste Hure von ganz Rom – ein
Vorzug, mit dem sie die Laterna Rossa in kürzester Zeit zum berühmtesten
Bordell der Stadt gemacht hatte.
    Â»Heh!«, rief Gregorio. »Willst du mir den Schwanz abquetschen?«
    Â»Ich dachte, das würde dir gefallen, mein stürmischer Reitmeister.«
    Â»Aber doch nicht, wenn du mich verstümmelst.«
    Ohne seinen Ritt zu unterbrechen, prostete Gregorio seinem Bruder
zu. Teofilo

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