Der Kinderpapst
glaubte schon in der Ferne ein erstes Glockenläuten zu hören,
während Sofia sich zwischen seinen Schenkeln immer schneller auf und ab
bewegte.
»Hast du eigentlich schon mal den Saft der Signora probiert?«,
fragte Gregorio.
»Den Saft der Signora?« Teofilo schüttelte sich. »Pfui Teufel!«
»Das kann nur jemand sagen, der keine Ahnung hat. Schon die
Zubereitung ist ein Genuss. Ob Trauben, Orangen oder Pfirsiche, die Signora
presst den Saft frisch vor deinen Augen. Mit ihrer eigenen Presse. Wenn du
verstehst, was ich meine â¦Â«
Es dauerte eine Weile, bis Teofilo begriff. »Willst du etwa sagen �
Nein, das glaube ich nicht!«
»Und ob! So wahr ich dein Bruder bin!«, lachte Gregorio und beugte
sich zu Giustina herab. »Na, willst du dem Heiligen Vater mal zeigen, was du
kannst?«
»Nur, wenn der Heilige Vater mir seinen Segen spendet!«
»He, der Segen Seiner Heiligkeit ist für mich reserviert!«, protestierte
Sofia mit vollem Mund.
»Keine Angst«, sagte Teofilo und drückte ihren Kopf noch tiefer in
seinen SchoÃ. »Ich werde euch beide segnen, meine Töchter.«
Gott sei Dank hatte er vor dem Besuch in der Laterna Rossa einen
Becher von Gregorios Zaubermittel getrunken, ein Trank aus der
Priapiscuswurzel, mit dem man angeblich Tote wieder auferwecken konnte. Damit
war er für ein halbes Dutzend Segnungen gerüstet.
»Dann wollen wir mal sehen«, sagte Gregorio. »Gibt es hier irgendwo
Obst?«
»In der Schale auf dem Tisch«, grunzte Giustina.
Gregorio stieg von ihr herab und warf ihr einen Pfirsich zu. Ohne
sich im Geringsten zu zieren, ging Giustina in die Hocke, als müsse sie sich
erleichtern, und steckte sich die Frucht zwischen die Schenkel.
»Wo bleibt der Krug?«, fragte sie.
»Kommt sofort!«
Teofilo glaubte nicht richtig zu sehen. Sein Bruder legte sich auf
den Boden, schob das Gesicht unter Giustinas schwarz beflaumtem Schoà und riss
den Mund auf.
»Und wo bleibt mein Nektar?«
Giustina drückte und presste, als leide sie an Verstopfung, und
schon tröpfelte der gelbe, zuckrige Saft auf Gregorio herab. Der Anblick war so
widerlich, dass Teofilo sich fast übergeben musste.
Gregorio grinste und leckte sich die Lippen.
»Hier spielt die Musik!«, schmatzte Sofia.
Teofilo setzte einen Krug Wein an die Lippen, um seinen Ekel
hinunterzuspülen. Er schämte sich für die Besuche in der Laterna Rossa vor sich
selbst, und jedes Mal, wenn er aus dem Hurenhaus kam, fühlte er sich wie in
Jauche gebadet. Aber er konnte nicht darauf verzichten. Nur hier fand er die
Reize, die er brauchte, um zu vergessen und nicht verrückt zu werden ⦠Während
Sofia in seinem Schoà weitermachte, spürte er, wie ihm allmählich die Sinne
schwanden. Immer lauter tönten die Glocken in seinen Ohren, und endlich,
endlich, endlich nahte das Ziel, die Ohnmacht, dieses schmerzlich süÃe
Versinken im Nichts, die Erlösung aus dem Bewusstsein â die einzige Erlösung,
die es für ihn gab â¦
Da flog die Tür auf, und Ottaviano stolperte herein. Im selben
Moment verstummte das Geläut, und Teofilo kehrte in die Gegenwart zurück.
»Was zum Teufel fällt dir ein?«, herrschte er seinen Bruder an.
»Unsere Mutter schickt mich!«, keuchte Ottaviano, ganz auÃer Atem.
»Sie lässt dich überall suchen. Die Mitternachtsmesse! Hast du die vergessen?«
»Siehst du nicht, dass ich zu tun habe? Man wartet auf meinen
Segen!«
»Segne, wen du willst. Aber wenn du nicht gleich kommst, schickt sie
dir Petrus da Silva auf den Hals!«
7
Wo bei allen Erzengeln und Heiligen war Teofilo?
Das groÃe Geläut von St. Peter hatte längst eingesetzt, als Ermilina
noch immer durch die Flure des Lateranpalastes eilte, um nach ihrem Sohn zu
suchen. In einer halben Stunde würde die Mitternachtsmesse beginnen, der
feierliche Auftakt zu Benedikts Thronjubiläum, das groÃe päpstliche Hochamt,
mit allen Kardinälen und Edelleuten der Stadt â doch vom Papst keine Spur â¦
Noch einmal schaute sie in sämtlichen Räumen nach, in denen Teofilo sich aufhalten
konnte. Ohne Erfolg. Auch in seinem Laboratorium steckte er nicht. Die Phiolen
waren verstaubt und von Spinnweben überzogen. Offenbar war er schon seit einer
Ewigkeit nicht mehr hier gewesen.
Fröstelnd verlieà Ermilina das Kellergewölbe. Warum kam
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