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Der Kinderpapst

Der Kinderpapst

Titel: Der Kinderpapst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Prange
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dunklen Eingangshalle, die nur
von der Glut im Kamin erhellt wurde.
    Â»Was verschafft mir die Ehre Eures Besuchs?«, fragte Petrus, als er
die Gesichter erkannte. »Zu so später Stunde?«
    Â»Die Sorge um unsere Kirche!«, erklärte Pisano. »Dieser Papst ist
eine Schande! Eine Beleidigung Gottes!«
    Â»Seid wann sorgt Ihr Euch um Gott und seine Kirche?«, erwiderte
Petrus und zündete mit einem Holzspan ein Licht an.
    Â»Ihr habt Recht, wir sollten offen miteinander sprechen«, antwortete
Kardinal Giampini an Pisanos Stelle. »Lassen wir also Gott und die Kirche
beiseite. Wichtigeres steht auf dem Spiel – die Interessen unserer Familien.«
    Â»Sehr richtig«, pflichtete Kardinal Baldessarini ihm bei, »die Interessen
unserer Familien.«
    Â»Wie soll man Geschäfte machen«, fuhr Giampini fort, »wenn das Geld,
täglich weniger wert wird? Die Krämer weigern sich, Handel zu treiben, die
Bauern kehren unverrichteter Dinge vom Markt zurück. Die Leute verhungern,
obwohl die Ernte gar nicht so schlecht war. Nur weil der Papst das Silber der
Münzen durch Kupfer ersetzt.«
    Â»Wollt Ihr etwa sagen …«, fiel Petrus da Silva ihm ins Wort.
    Â»Ja, das will ich«, bestätigte Giampini. »Ganz Rom weiß, was in der
Münze geschieht.«
    Â»Und das ist nicht alles«, ergänzte Pisano. »Es heißt, Benedikt
stehe mit geheimen Mächten im Bund. Angeblich trifft er sich mit Teufeln und
Dämonen in den Wäldern, um mit ihrer Zauberkraft Weiber anzulocken.«
    Â»Glaubt Ihr im Ernst solchen Unsinn?«, fragte Petrus da Silva. Als
Pisano nur stumm mit seinem Truthahnhals ruckte, wandte er sich an Giampini.
»In wessen Auftrag sprecht Ihr?«
    Â»Endlich kommen wir zum Geschäft«, sagte Baldessarini und spitzte
die schmalen Lippen.
    Giampini kniff seine kleinen Schweinsaugen zusammen. »Ihr irrt Euch,
Eminenz«, erwiderte er. »Ich komme in keinem Auftrag. Aber ich kenne meinen
Cousin, Conte Severo. Er hat den Tod seines Sohnes Ugolino bis heute nicht
verwunden, und ich fürchte, wenn er wegen dieses Papstes auch noch
geschäftliche Verluste erleidet …«
    Â»Was erwartet Ihr von mir?«, fragte Petrus da Silva.
    Die Augen des Sabiners wurden noch kleiner.
    Â»Bringt Benedikt zur Vernunft«, sagte er. »Bevor es zu spät ist.«
    9
    Â»Wir brauchen neue Ware!«, sagte Giulia.
    Â»Schon wieder?«, staunte Chiara.
    Â»Wir haben seit der Frühmesse fünfhundert Kruzifixe verkauft,
zweihundert Medaillons und dreihundert Heiligenbilder!«
    Â»Das ist ja wunderbar!«
    Â»Aber nur, wenn wir uns ranhalten! Gleich kommt der Papst – heute
noch eine Messe, dann ist das Jubiläum vorbei. Das wird ein Gedränge!«
    Â»Glaubst du? Obwohl wir schon so viel verkauft haben?«
    Â»Und ob! Ihr werdet sehen. Heute wollen alle noch einmal Kreuze und
Bilder und Medaillons, für den allerletzten Segen des Heiligen Vaters, bevor
sie wieder aus Rom verschwinden.«
    Â»Ich glaube, dich hat der Himmel geschickt«, sagte Chiara. »Los,
Antonio«, wandte sie sich an Annas Mann, »worauf wartest du?«
    Während Antonio sich auf den Weg zur Werkstatt machte, strahlte
Giulia, als würden all die vielen Soldi, die sie seit Beginn der Festwoche
eingenommen hatten, in ihre eigene Tasche fließen. Die Einnahmen übertrafen
Chiaras kühnste Erwartungen. Dabei war sie nicht als Einzige auf die Idee
gekommen, zum Thronjubiläum des Papstes Andachtsgegenstände zu verkaufen. Auf
dem Platz vor der Basilika wimmelte es nur so von Händlern, die lärmend und
gestikulierend versuchten, den Pilgern ihre Waren aufzuschwatzen, in allen
möglichen Sprachen der Welt. Manche hatten sogar falsche Prediger angeheuert,
um den Verkauf mit abenteuerlichsten Wundergeschichten anzukurbeln.
    Doch nirgendwo drängelten sich so viele Menschen wie vor ihrem
Stand, sodass Antonio gar nicht schnell genug hinterherkam, um für Nachschub zu
sorgen. Denn nirgendwo sonst wurden die Kruzifixe und Medaillons und
Heiligenbilder vor den Augen der Gläubigen gesegnet. Noch während die Priester,
die Abt Bartolomeo aus Grottaferrata in die Stadt geschickt hatte, ihr
Weihwasser versprengten, rissen die Pilger ihnen schon die Stücke aus den
Händen. Beim Anblick der übervollen Kasse, die kaum die vielen Münzen zu fassen
vermochte, sickerte der Stolz wie ein süßes Gift in Chiaras

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