Der Kinderpapst
nicht
wenigstens Ottaviano endlich zurück? Er war doch schon seit Stunden unterwegs.
Nein, es blieb ihr nichts anderes übrig â sie musste Petrus da Silva
benachrichtigen.
Sie durchquerte gerade die Eingangshalle, um den Kanzler aufzusuchen,
da stand Teofilo plötzlich vor ihr.
»Na endlich!«
»Ah, die Frau Mutter!« Mit glasigen Augen stierte er sie an. »Warum
seid Ihr nicht im Bett?«
»Um Himmels willen! Du bist ja betrunken! Wo kommst du her?«
»Ich habe mich um mein Seelenheil gekümmert«, gab er lallend zur
Antwort.
»Lüg mich nicht an! Woher du kommst, will ich wissen!«
»Ich lüge nicht. Ich habe mich gegen die Sünde gefeit«, grinsend
schnalzte er mit der Zunge, »die Sünde der Superbia â¦Â«
Ermilina schnüffelte in der Luft. Seine Ausdünstungen atmeten die
Sünde des Fleisches.
»Du stinkst wie ein brunftiger Eber! Kommst du aus einem Hurenhaus?«
»Aber das sage ich ja! Ich habe mich von meiner Verderbnis
überzeugt! In aller Gründlichkeit! Damit ich nicht hochmütig werde und mich
gegen den Heiligen Geist versündige. Ich dachte, das würde Euch gefallen.« Er
holte Luft und stieà einen Rülpser aus. »Felix culpa!«
Entsetzt starrte Ermilina ihn an. Er war so betrunken, dass er sich
kaum auf den Beinen halten konnte, und in seinen Augen flackerte jene Geilheit,
die sie von Alberico kannte, ihrem Mann, wenn er sie früher begattet hatte. Dicke Eier, das ist sein ganzes Unglück ⦠Auf einmal sah sie Teofilo vor sich, wie er als Kind gewesen war. Ein so
süÃer, wunderbarer kleiner Junge â¦
»Mein armer, armer Liebling.«
Wie eine Woge wallten die Gefühle in ihr auf. Mit jeder Faser sehnte
sie sich nach ihrem Kind zurück, nach ihrem kleinen Jungen, nach diesem
wunderbaren Sohn, den Gott selber ihr geschenkt hatte. Sie nahm seine Hand,
drückte sie an ihre Brust.
Teofilo war einen Moment verwirrt, dann überlieà er ihr seine Hand.
»Ach Mama«, seufzte er, und genauso wie früher schmiegte er sich an sie, als
wolle er sich wieder unter ihren Schutz begeben. »Ach Mama, du weiÃt ja nicht,
wie schlimm das alles ist.«
»Doch, Teofilo, ich weià ⦠Ich bin doch deine Mutter.«
Verloren wie ein Kind schaute er sie an. Dabei sah er so traurig und
verzweifelt aus, dass es ihr das Herz zerriss.
»Mein Liebster«, flüsterte sie und küsste sein Gesicht. »Ich liebe
dich. Ich liebe dich so sehr, dass ich es dir gar nicht sagen kann ⦠Und du
musst wissen, ich tu alles für dich. Alles, alles, alles! Für meinen
wunderbaren Sohn ⦠Ich will doch nur dein Bestes. Dein Bestes! WeiÃt du das
denn nicht?«
Während sie sprach, spürte sie plötzlich, wie er unter ihren Berührungen
erstarrte.
»Hab keine Angst, mein Junge, ich bin bei dir. Dir kann nichts
geschehen. Wenn du nur tust, was ich dir sage, und du nicht auf andere Frauen
hörst â¦Â«
Sie drückte ihn noch fester an sich, bedeckte sein Gesicht mit
Küssen, die Stirn, die Wangen, den Mund.
Mit einem Ruck riss er sich von ihr los.
»Was soll das?«, sagte er. »Du benimmst dich wie eine Hure!«
»Was sagst du da?«
Ermilina wich zurück. Er verzog das Gesicht, als würde er sich vor
ihr ekeln.
»Warum ⦠warum schaust du mich so an?«
Die Kindlichkeit war aus seinem Blick gewichen, genauso wie die
Trauer und Verzweiflung. Stattdessen waren seine Augen von einem harten,
metallischen Glanz erfüllt, der ihr Angst einflöÃte.
»Ich ⦠ich mache mir doch nur Sorgen um dich«, stammelte sie. »Bei
Tag und Nacht bete ich zu Gott und flehe ihn an, dass er dich zurückführt auf
seinen Weg.«
»Gott?« Teofilo lachte laut auf. »Wer ist das? Der alte Greis mit
dem Bart? Der soll mir helfen? Ausgerechnet? Der traut sich ja nicht mal in die
Laterna Rossa! Nicht mal in ein gottverdammtes Hurenhaus traut der sich!« Er
musste so sehr lachen, dass er nicht weitersprechen konnte.
Ermilina schüttelte ihn. »Bist du von Sinnen?«
Teofilo verstummte. Plötzlich war er wieder stocknüchtern. »Es gibt
keinen Gott«, sagte er, so ruhig und bestimmt, dass sie noch mehr Angst bekam.
»Ich habe so oft nach ihm gerufen, aber er hat mir nie geantwortet. Kein
einziges Wörtchen.«
»Bitte, mein Junge â hör auf, so zu reden!«
»Ja, davon willst du nichts
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