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Der Kindersammler

Titel: Der Kindersammler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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stehen.
    » Ich muss meine Tasche holen. Die Typen sind jetzt bestimmt weg. « Er wollte sich umdrehen und losrennen, aber Alfred hielt ihn mit eisernem Griff fest.
    » Moment. « Benjamin zuckte zusammen. » Deine Tasche holen wir sp ä ter, okay? Die klaut keiner. Au ß erdem liegt sie im Geb ü sch am Ufer, da sieht sie auch keiner, weil kein Mensch bei dem Sauwetter spazieren geht. « Alfred sp ü rte, dass ihm gl ü hend hei ß war. Er durfte jetzt keinen Fehler machen. » Sind in deinen Heften schon irgendwelche Unterschriften von deinen Eltern? Unter fr ü heren Arbeiten zum Beispiel? «
    Benjamin nickte eingesch ü chtert. Der Griff um seinen Oberarm f ü hlte sich an wie ein Schraubstock.
    » Gut. Dann unterschreib ich f ü r deine Eltern. Ich kann das. Ich kann alle Unterschriften nachmachen. Das merken noch nicht mal deine Eltern selbst. «
    Benjamin war einen Moment beeindruckt.
    » Komm « , sagte Alfred. Er bog nach links ab und zog Benjamin mit sich. Hinter der S-Bahn begannen die Kolonien. Kolonie R ü bezahl, Kolonie Stadtb ä r, Kolonie Kieler Grund, Kolonie Georgina, Kolonie Sorgenfrei und viele andere. Er musste auf Anhieb eine geeignete Laube finden. Nicht zu sehr heruntergekommen, nicht schwer zu knacken, nicht direkt an der Stra ß e. Und er musste schnell und spontan entscheiden. Der Junge durfte auf keinen Fall misstrauisch werden.
    » Ich glaub, ich geh jetzt lieber nach Hause « , sagte Benjamin. » Vielen Dank f ü r alles. War echt nett von Ihnen. « Er versuchte sich loszumachen, aber Alfred lie ß nicht locker.
    » Das ist nicht fair « , sagte er, » ich helfe dir, die gro ß en Jungs loszuwerden, die dir deine Sachen klauen und dich verpr ü geln wollten ..., und du willst nicht mal mit mir einen Kakao trinken. Ich bin immer schrecklich allein. Ich freue mich einfach, wenn ich mal ein bisschen Gesellschaft habe. «
    Benjamin bekam augenblicklich ein schlechtes Gewissen. » Wo wohnen Sie denn? «
    » Weit weg. Ganz oben im Norden. In Heiligensee. Da habe ich ein sch ö nes gro ß es Haus und zwei Hunde. «
    » Was f ü r Hunde? « Benjamins Interesse war sofort geweckt. » Dalmatiner. Eine H ü ndin und einen R ü den. Ganz lieb. Ganz s üß . P ü nktchen und Anton hei ß en sie. «
    » Ist ja irre. « Benjamin l ä chelte und sah in seiner Vorstellung zwei schwarz wei ß gefleckte Dalmatiner in seinem Bett schlafen.
    » Aber meine Tante hat hier eine Laube. Gleich dahinten « , fuhr Alfred fort. » Im Moment muss ich jeden Tag hinfahren und die Meerschweinchen f ü ttern, weil meine Tante im Krankenhaus liegt. Ich dachte, es macht dir vielleicht Spa ß , mir kurz dabei zu helfen. Au ß erdem musst du dich unbedingt aufw ä rmen. Es ist gar nicht weit von hier. «
    Benjamins Verstand arbeitete fieberhaft. Er hatte das Gef ü hl, dass seine Gedanken kreuz und quer durch seinen Kopf sausten, so schnell, dass er sie nicht fassen und sortieren konnte. Er h ö rte seine Mutter, die schon zigmal zu ihm gesagt hatte: » Du darfst mit niemandem mitgehen, h ö rst du? Und wenn der Mann dir sonst was verspricht. Tiere oder S üß igkeiten und Spielzeug oder was wei ß ich. Es ist immer eine L ü ge. Lass dich auf keine Diskussionen ein, hau einfach ab. Ist das klar? «
    Er hatte genickt. Nat ü rlich. Andere Kinder gingen vielleicht mit Fremden mit, er nicht. Niemals! Er war doch nicht doof, er lie ß sich nicht locken, da brauchten sich seine Eltern keine Sorgen zu machen.
    Und sein Vater hatte immer wieder gesagt: » Zeig niemandem den Weg, wenn dich ein Fremder darum bittet. Und steig niemals in ein fremdes Auto! Geh in keine fremde Wohnung! Du darfst nichts glauben, was man dir erz ä hlt. Vor allem nicht, wenn dir jemand weismachen will, wir h ä tten dich geschickt. Oder deiner Mutter oder mir sei etwas passiert, und deswegen sollst du schnell ins Auto steigen und mit ins Krankenhaus fahren. Glaub das alles nicht! Du ahnst ja gar nicht, wie viele Tricks diese b ö sen M ä nner draufhaben. «
    Auch das hatte ihm alles eingeleuchtet. Er war sich v ö llig sicher, in jeder Situation Bescheid zu wissen. Aber er hatte sich das Abhauen immer ganz einfach vorgestellt, und jetzt war es so verdammt schwer.
    Dieser Mann hat mich ja nicht angesprochen, dachte Benjamin, er hat mir geholfen, als ich in einer ganz beschissenen Situation war! Der war ja nicht auf der Suche nach kleinen Kindern, um sie wegzufangen, der war nur zuf ä llig in der N ä he, als ich Hilfe brauchte. Also ist er bestimmt

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