Der Kindersammler
sie durch eine m ö glichst harmlose Erkl ä rung zu beruhigen. Allerdings machte sie das w ü tend, weil sie den Eindruck hatte, er w ü rde die Sache nicht ernst nehmen.
» Hast du mal rausgeguckt? Es schneit! Son dreckiger, mistiger Schneeregen. Benny hat weder M ü tze, noch Schal, noch Handschuhe dabei. Ich hab nachgeguckt. Der ganze Krempel liegt im Flur. Glaubst du, es macht ihm Spa ß , bei dem Wetter drau ß en rumzutr ö deln? Und noch dazu allein? Denn Andi ist zu Hause! « » Das wusste ich ja alles nicht Was glaubst du denn, wo er ist? «
» Ich glaube gar nichts. « Marianne hatte hektische rote Flecken auf den Wangen, die in ihrem blassen Gesicht unnat ü rlich, wie aufgemalt wirkten.
Hoffentlich kriegt sie keinen Schub, dachte Peter.
» Was soll ich denn glauben? « , piepste sie. Wenn sie aufgeregt war, rutschte ihre Stimme immer ganz hoch, und dann h ö rte sie sich an wie ein kleines M ä dchen. » Ich kann ja nicht hellsehen! Aber ich habe Angst, Peter, so ein ganz doofes Gef ü hl! Kannst du nicht irgendwas machen? «
» Okay « , sagte Peter und atmete tief durch. Er war zwischen Zorn und Sorge hin und her gerissen. » Ich geh mal los und gucke, ob ich ihn irgendwo finde. Und du ruf die Klassenlehrerin an. Vielleicht ist heute irgendwas vorgefallen ... irgendwas, was Andi dir nat ü rlich nicht gleich auf die Nase bindet. «
» Du meinst, Benny traut sich nicht nach Hause? « Marianne sch ü ttelte energisch den Kopf » Wir tun ihm doch nichts! Das ist Bl ö dsinn, Peter! Er hat mit uns noch nie richtig Ä rger gekriegt! «
» Na, was wei ß ich! « Peter wurde lauter. » Wir haben doch beide keine Ahnung, was in seinem Kopf vorgeht! « Er trank sein Bier aus. » Ist ja auch egal, aber ruf die Frau Blau an. Kann jedenfalls nicht schaden! «
Marianne nickte stumm und nahm sich eine Zigarette. Ihre H ä nde zitterten derart, dass sie f ü nf Versuche brauchte, um sie anzuz ü nden. Peter verlie ß die Wohnung. Der Hackbraten vertrocknete im Ofen.
5
Alfred sah sofort, dass es das Richtige war. Ein schlichtes Holzhaus, eines der wenigen, das nicht wei ß , hellblau oder gr ü n gestrichen war, und au ß erdem eines, das keine Fensterl ä den vor den Scheiben hatte. Die Holzlackierung hatte sich im Lauf der Zeit grau verf ä rbt und bl ä tterte gro ß fl ä chig ab. Dennoch strahlte dieses Haus auch jetzt im November eine gewisse W ä rme aus. Der Garten machte einen gepflegten Eindruck und war ordnungsgem äß winterfest zur ü ckgelassen worden, empfindliche Pflanzen standen in T ö pfen an der hinteren Hausmauer gesch ü tzt unter einem Vorsprung, die Hollywood Schaukel verbarg sich unter einem unansehnlich gr ü nen, aber wetterfesten Plastik ü berwurf. Alfred glaubte fest daran, dass die Laube sauber und ordentlich eingerichtet war und dass er in dem Kleing ä rtnerhaushalt alle Utensilien finden w ü rde, die er brauchte.
An der hohen h ö lzernen Gartenpforte, ü ber die sich im Sommer Buschwindr ö schen rankten, stand » Bliese « .
» Hei ß en Sie so? « , fragte Benjamin, und Alfred nickte. Das war das Einfachste.
Die Pforte war abgeschlossen. Alfred durchw ü hlte demonstrativ seine Taschen, Benjamin wartete geduldig.
» So was Bl ö des « , knurrte Alfred, » ich hab' den Schl ü ssel vergessen. «
» Und die Meerschweinchen? « , fragte Benjamin sofort. » Kriegen die jetzt nichts? «
» Doch. Nat ü rlich. Wir kommen schon rein. Kein Problem. «
Alfred streckte Benjamin die Arme entgegen. » Komm, ich heb dich r ü ber. « Benjamin trat einen Schritt n ä her, und Alfred hob ihn mit Schwung in den Garten.
Mein Gott, ist dieses Kind zart, dachte Alfred. Und so leicht!
Dann machte Alfred eine Seitw ä rtsflanke ü ber den Zaun.
Er konnte es kaum noch abwarten, endlich mit dem kleinen Jungen in der Laube verschwunden zu sein. Er wollte die Angst loswerden, doch noch von einem pl ö tzlich vorbeikommenden Spazierg ä nger gesehen zu werden, der sich sp ä ter vielleicht an ihn erinnern w ü rde.
Alfred ging einmal um die Laube herum, auf der Suche nach einem geeigneten Werkzeug. Aber Plattenweg, Terrasse, Beete und sogar die Rasenfl ä che waren wie leer gefegt, da lag nichts herum, was dort nicht hingeh ö rte, noch nicht mal ein gr öß erer Stein oder ein St ü ck Holz. Erst recht keine Eisenstange oder ein vergessener Spaten.
W ä hrend Alfred suchte, stand Benjamin brav neben der Hollywoodschaukel und wartete. Er ist ein bisschen sch ü chtern, dachte Alfred,
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