Der Kirchendieb
glühenden Zunderschwamm behutsam, fast zärtlich
in die gegenüberliegende Ecke des Schulzimmers legte. Sofort entzündete sich das auf dem Boden ausgelegte Stroh.
Dann schnappte sich Zenker sein Bündel und eilte aus dem Haus, ließ Johanna mit den Flammen zurück.
Am Eingangstor herrschte lautes Geschrei, als Andreas nach Hause kam. Der alte Linhart und ein Junge in zerschlissener Kleidung
standen im Eingang und diskutierten aufgeregt. War das nicht Claeß? Was wollte er hier?
»Hallo Linhart, hallo Claeß! Was ist los?«, erkundigte sich Andreas neugierig.
Die Angesprochenen unterbrachen für einen kurzen Augenblick ihre hitzige Auseinandersetzung, nur um danach nicht mehr aufeinander,
sondern auf Andreas einzubrüllen. Dieser verstand kein Wort.
Der alte Diener keifte etwas von
Diebesgesindel
und
herumlungerndes Pack
. Doch warum war Claeß so aufgeregt?
»Sei still, Linhart! Claeß wird unser Haus schon nicht ausrauben. Und du sag jetzt, was du hier willst!«, forderte er streng,
wie er es schon oft bei seinem Vater beobachtet hatte. Der Alte schwieg sofort, was nicht nur Andreas selbst beeindruckte,
sondern auch Johannas Freund. Anerkennend zog Claeß die rechte Augenbraue nach oben, besann sich dann aber sofort wieder.
»Der alte Trottel wollte mich nicht reinlassen. Hab heute mit
Zecke
getauscht und den Schulmeister beschattet. Der war heute bei deinem alten Herren.«
»Bei uns?« Andreas erschrak. »Hoffentlich hat er Johanna nicht gesehen«.
»Da kannst du lange hoffen. Rate mal, mit wem er das Haus soeben verlassen hat.«
Andreas’ Magen verkrampfte sich. »Wenn der Johanna erkannt hat, ist sie in großer Gefahr«.
»Ich weiß. Wir brauchen Hilfe. Du musst deinen alten Herren einweihen. Dieser greise Schwachkopf wollte mich ja nicht zu ihm
lassen. Es geht um Leben und Tod, habe ich ihm gesagt, aber dieses Schafshirn …«
Andreas fiel ihm ins Wort.
»Wo ist mein Vater?«, wollte er von Linhart wissen, der verdutzt Richtung erster Stock deutete.
Andreas packte Claeß am Hemd und zog ihn mit sich.
Oben im Saal saß Andreas’ Vater und trank einsam ein Glas Wein. Als er die Begleitung seines Sohnes sah, hob er überrascht
beide Augenbrauen.
»Wen bringst du uns da ins Haus, mein Sohn?«
»Vater, war der Zenker da?«
Der Kaufmann nickte. »Stell dir vor, ich wollte ihm sogar einen meiner besten Weine anbieten. Doch die tollpatschige Küchenhilfe,
dieses neue Mädchen, hat ihm den ganzen Wein über das Gewand gekippt. Hab sie gleich mit ihm geschickt. Soll das befleckte
Gewand zur Wäscherin bringen«.
Claeß machte sofort am Absatz kehrt. »Ich hol die anderen. Dein Kumpel Ludwig wohnt doch zwei Häuser weiter, oder?« Andreas
nickte. »Wir treffen uns am Schulhaus«, rief Claeß noch, als er die Treppe hinuntereilte.
»Was ist hier los?«, erkundigte sich Andreas’ Vater, dem nicht entgangen war, wie bleich sein Sohn geworden war.
»Die Johanna ist in großer Gefahr. Ihr müsst sofort den Büttel zur Schule schicken!«
»Was muss ich? Wer bitte ist Johanna und warum soll sie in Gefahr sein? Setz dich erst mal zu mir und dann erkläre mir das
alles. Aber schön langsam und der Reihe nach.«
Und das tat Andreas. Er ließ nichts aus, und sein Vater hörte aufmerksam zu, ohne ihn zu unterbrechen.
»Sagst du auch die Wahrheit?«, hakte der Kaufmann nach und sah seinem Sohn dabei eindringlich in die Augen. Andreas nickte
ernst.
»Du scheinst dir wirklich Sorgen um dieses Mädchen zu machen, mein Sohn. Ich kann die Angst in deinen Augen sehen.« Dann erhob
sich sein Vater. »Du bleibst schön hier und ich eile zum Büttel. Mein Wort sollte genügend Gewicht haben.« Und damit verließ
der Kaufmann den Saal und stapfte die Treppe hinunter.
Andreas sah seinem Vater verblüfft hinterher. Doch dann fiel ihm Johanna wieder ein. Kaum war sein Vater außer Sichtweite,
verließ auch er das Haus und rannte Richtung Schule.
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In letzter Sekunde
Als Andreas sich dem Schulhaus näherte, sah er Rauch aus den Fenstern steigen. Hoffentlich war Johanna in Sicherheit. Was
aber, wenn sie in dem Haus war? Schreckliche Angst ergriff Andreas. Er sah, wie Claeß, Krischer und die anderen Jungs gerade
in das brennende Gebäude hineinliefen, hörte sie verzweifelt nach Johanna rufen. Ohne an die Gefahr zu denken, folgte Andreas
ihnen.
»Zieht eure Hemden aus und versucht das Feuer auszuschlagen. Wir müssen verhindern, dass das Haus lichterloh brennt.
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