Der Kirchendieb
klar ist«, rief er
herausfordernd. Die anderen Jungs aus seiner Bande stimmten ihm lauthals zu.
Andreas warf einen Blick auf Johanna, die das Geld so dringend brauchte. Doch ehe er sich einmischen konnte, ergriff sie das
Wort: »Ist es für euch nicht Belohnung genug, diesen fiesen Schulmeister loszuwerden? Außerdem habt ihr doch genügend Geld.
Seht euch doch an. Euch mangelt es an nichts. Wenn ihr sehen könntet, wie ich und meine Freunde leben, würdet ihr euch schämen.«
»Dann zeigt uns doch euer Zuhause!« Ludwig sah Johanna herausfordernd an.
»Glaub mir, du willst es nicht wirklich sehen.«
»Doch! Will ich schon!« Ludwig war jetzt stur.
»Na gut. Ich mache euch einen Vorschlag. Ich zeige dir und Andreas mein Zuhause, stellvertretend für alle anderen. Aber ihr
müsst mir versprechen, mich danach nicht zu verachten.«
Ludwig nickte. »Versprochen. Und wenn wir dann finden, dass ihr das Geld dringend braucht, musst du nicht teilen. Ansonsten
bekommen wir unseren Anteil! Abgemacht?«
»Abgemacht.«
»Wenn das so ist, dann gebt euch die Hände«, forderte Andreas sie auf. Dem Frieden traute er noch nicht. Aber er wusste, dass
ein Handschlag für alle bindend war. So viel Ehrgefühl besaßen sie alle, egal ob reich oder arm.
Wieder ging ein Raunen durch die Jungs und Mädchen. Doch dann machte Krischer den Anfang und streckte Mathias die Hand entgegen.
Zögernd griff der danach, als könnte er sich bei der Berührung die Pestilenz holen. Die andern folgten ihrem Beispiel und
Johanna und Andreas atmeten erleichtert auf.
»Nun, da dies geschafft ist, lasst uns gemeinsam zur Schule gehen und sehen, ob der Zenker da ist. Wenn nicht, schleichen
wir uns hinein und durchsuchen das Haus von oben bis unten«, schlug Johanna vor.
»Wie willst du hineinkommen?«, fragte Ludwig herausfordernd.
Johanna griff in ihren Beutel am Gürtel und holte Krischers Dietrich heraus. »Damit!«
»Also doch Diebesgesindel!«, stichelte Ludwig wieder.
»Weißt du was Besseres?«, fragte Andreas ihn. Der Junge schüttelte den Kopf.
»Was ist, wenn der Zenker zu Hause ist?«, wollte Claeß wissen.
»Wir klopfen artig an und tun so, als würden wir ihn in einer dringenden Angelegenheit sprechen müssen. Uns wird schon etwas
einfallen, solange ihr euch nicht zeigt«, meinte ein anderer aus Andreas’ Bande zuversichtlich.
»Dann ist ja alles klar. Auf zum Schulhaus!«, rief Andreas und rannte voraus. Die anderen folgten.
Dort angekommen, ging Johannas Bande, wie abgemacht, in Deckung. Die anderen Jungs traten an die Tür und klopften. Nichts
geschah. Sie klopften erneut. Nichts. Im ganzen Haus herrschte Stille. Offenbar war niemand zu Hause. Sofort kamen die anderen
aus ihrem Versteck.
»Zwei von uns bleiben vor der Tür. Falls der Zenker kommt, müssen sie ihn aufhalten. Wir anderen verteilen uns im Haus und
suchen«.
Alle nickten und Krischer bekam den Dietrich zurück. Es war seiner und somit seine Aufgabe, die Tür zu öffnen. Nachdem sie
sich noch mal vergewissert hatten, dass niemand sie beobachtete, sperrte Krischer auf und einer nach dem anderen schlüpfte
hinein.
Während Andreas’ Leute den Schulraum im Erdgeschossdurchsuchten, nahmen sich Johanna und ihre Leute die Wohnung im Obergeschoss vor. Sie war zwar nicht so fürstlich eingerichtet
wie Andreas’ Haus, aber dennoch überaus ansehnlich, fast üppig. Es gab eine reich ausgestattete Küche mit Herdstelle, kleinem
Tisch und zwei Hocker, eine Schlafkammer mit edlem Himmelbett sowie ein Studierzimmer mit großem gemütlichem Kachelofen. In
den Fenstern waren sogar diese kleinen modernen Glasbutzen, durch die viel Licht fiel.
»Es ist mir ein Rätsel, warum der Mann stiehlt. Der muss doch steinreich sein. Wenn ich es so schön hätte, käme ich niemals
auf die Idee«, meinte Claeß kopfschüttelnd. »Wie kann man nur den Galgen riskieren, wenn es einem so gut geht?«
»Nehmt ja nichts mit! Und verändert nichts!«, ermahnte Johanna ihre Jungs vorsichtshalber.
Nach einer halben Stunde trafen sich alle wieder auf der Gasse. Von dem Diebesgut gab es keine Spur.
»Vielleicht hat er die Sachen schon verkauft«, schlug Andreas vor.
»Nein. Dann hätte ich etwas gehört«, meinte ein Junge, den alle
Zecke
nannten. Er gehörte zu Johannas Leuten. Sein Vater war Hehler, der mit gestohlenen Sachen handelte. Er wusste also ganz genau,
dass dasDiebesgut keine neuen Besitzer hatte. »Mein Vater hätte es sicher erfahren. Heute
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