Der Kirchendieb
Das ganze
Stadtviertel ist in Gefahr!«, rief Andreas aufgeregt. Seine Gedanken waren plötzlich glasklar. Als hätte er schon immer Brände
gelöscht. »Hat einer von euch Johanna gesehen?« Niemand antwortete. Alle schlugen wie wild auf das Feuer ein, versuchten es
zu ersticken, sein Ausbreiten zu verhindern. Der Rauch füllte inzwischen den ganzen Raum, brannte in der Brust. Hustend, den
Ärmel schützend vor Mund und Nase haltend, suchte er das Erdgeschoss ab. Doch er konntein dem dichten Rauch kaum etwas sehen. Einmal glaubte Andreas Johanna gefunden zu haben, doch es war nur ein Haufen Brennholz
neben dem Ofen.
Inzwischen brannten auch seine Augen, Tränen vermischten sich mit dem Ruß in der Luft, alles Wischen half nichts. Die Umrisse
verschwammen.
Wenn er sie nicht gleich fand, war es zu spät. Er selbst bekam kaum noch Luft. Er hörte, wie die anderen Kinder ebenfalls
husteten, manche nach draußen liefen und ihre Lungen wieder mit Luft füllten, um sogleich wieder den Kampf gegen die Flammen
aufzunehmen. Fieberhaft suchte Andreas weiter, Schritt für Schritt tastete er sich in dem Raum vorwärts.
Schließlich stieß er gegen etwas Weiches. Voller Angst und Hoffnung zugleich tastete er das Hindernis ab, spürte Haare und
hätte am liebsten vor Freude losgeheult. Er hatte sie gefunden.
»Johanna!«, rief er hustend und rüttelte sie. Als er ein schwaches Stöhnen hörte, war er erleichtert. Mit zitternden Händen
löste er ihre Fesseln, befreite sie von dem Knebel und eilte mit ihr hinaus an die frische Luft.
Inzwischen waren auch andere auf das Feuer aufmerksam geworden und so dauerte es nicht lange, bis die Gefahr eines Stadtbrandes
gebannt war.
»Das Feuer ist gelöscht. Schnell hinaus!«, hörten sie drinnen Krischer rufen.
Gerade als ihre Freunde hustend herausstolperten, kam auch Andreas’ Vater mit dem Büttel im Schlepptau am Schulhaus an. Erschrocken
blickten sie in die rußgeschwärzten Gesichter der Kinder.
Keuchend berichtete Andreas, was vorgefallen war. Das Entsetzen war den beiden Erwachsenen deutlich anzusehen. Eine Nachbarsfrau,
die wohl alles beobachtet hatte, kam mit einem Eimer frischem Wasser angelaufen. »Trinkt hiervon! Trinkt!«, forderte sie die
Kinder auf, die sich durstig auf das kühle Nass stürzten.
»Zenker wollte sich mit jemandem treffen, hat aber nicht gesagt, wo«, meinte Johanna schließlich, nachdem sie einen kräftigen
Schluck Wasser genommen hatte.
Die Enttäuschung war ihr deutlich anzusehen.
»Macht euch keine Sorgen«, meinte der Büttel. »Den Kerl werden wir so lange suchen, bis wir ihn haben. Als Erstes werde ich
die Stadttore schließen lassen und das Auslaufen der Schiffe verbieten. Diebstahl ist eine Sache, aber versuchter Mord und
Brandstiftung sind eine andere Sache, nämlich weitaus schlimmer«.
Im selben Augenblick aber kam der kleine Lenz völlig außer Atem angerannt.
»Wir wissen, wo er ist!«, rief er aufgeregt und fuchtelte wild mit den Armen herum. Er und
Zecke
waren dem Schulmeister gefolgt, während die anderen in das Schulhaus gelaufen waren.
Johanna packte ihn fest an beiden Schultern. »Sag, Lenz, wo ist Zenker?«
»Folgt mir einfach.
Zecke
ist dort geblieben, falls er wieder verschwindet«. Und schon eilte er davon, flink wie ein Wiesel, sodass der Kaufmann und
der Büttel Schwierigkeiten hatten, ihm zu folgen. Sein Weg führte sie hinunter zum Rhein.
»Dort hinten, am Kai vor dem großen niederrheinischen Schiff, der ›Katharina‹! Er hat sich mit einem Händler getroffen, der
heute noch mit ihr ausläuft«, erklärte Lenz. Er wusste über jedes Schiff hier Bescheid. Jede freie Minute verbrachte er am
Kai und löcherte die Schiffer mit Fragen. Sein größter Wunsch war es, selbst einmal Kapitän eines großen Schiffes zu sein
und die ganze Welt zu bereisen.
Johanna sah
Zecke
, der hinter einem Karren in Deckung gegangen war und die beiden Männer nicht aus den Augen ließ. Zenker überreichte soeben
dem Händler die Beutel mit den Kirchenschätzen undnahm stattdessen einen kleineren, prall mit Münzen gefüllten Sack entgegen. Dann folgte er dem Mann Richtung Schiff.
»Er will mit dem Schiff aus der Stadt verschwinden!«, rief Johanna aufgeregt.
Jetzt war die Stunde des Büttels gekommen.
»Schulmeister Zenker, bleibt stehen! Ihr seid verhaftet wegen Diebstahl, versuchtem Mord und Brandstiftung«, brüllte er gebieterisch.
Erschrocken drehte sich Zenker um. Sein hasserfüllter
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