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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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was ich gesagt habe. Und falls Ihr zu der Ansicht gelangt, daß ich im Recht bin – würdet Ihr dann Euren Einfluß geltend machen und die Nachforschungen zu den Mordfällen wieder aufnehmen lassen?«
    Statt zu antworten, warf Katsuragawa Sano einen Blick zu, in dem zugleich Mitleid wegen seiner Naivität und Zorn wegen dieser Unverfrorenheit lagen. Sano erkannte die Sinnlosigkeit seines Unterfangens; von Katsuragawa konnte er keine Hilfe erwarten.
    »Sano -san «, sagte der massige Mann, »ich bin bereit, Euch bei der Suche nach einer neuen Stelle zu helfen. Vielleicht findet Ihr einen besseren Posten als den, welchen Ihr soeben verloren habt. Ich habe gute Beziehungen.« Sein lässiges Achselzucken ließ erkennen, daß er nur mit den Fingern zu schnippen brauchte, und für Sano würden sich neue Türen öffnen. »Außerdem ist Eure Hochzeit im Gespräch. Mir ist zu Ohren gekommen, daß sie schnellstmöglich stattfinden würde, wenn es nach Eurem Vater ginge. Es ist mir eine Ehre, in dieser Sache meine Dienste als Mittelsmann anzubieten und als Bürge aufzutreten, soweit es mir möglich ist.«
    Eine neue Anstellung; ein vielleicht höheres Amt und noch dazu besser bezahlt. Außerdem bestanden in der Tat gute Aussichten, in eine angesehene Familie einzuheiraten, wenn Katsuragawa als Mittelsmann die Verhandlungen führte und als Bürge für Sanos finanzielle Sicherheit garantierte. Auf diese Weise konnte Sano seinen gesellschaftlichen Status und einen Teil seiner Ehre zurückgewinnen. Solche Aussichten würden dafür sorgen, daß sein Vater die Enttäuschung über den Sohn sehr viel leichter ertragen konnte. Katsuragawas Angebot war großzügig, und Sano ließ es sich durch den Kopf gehen. Doch er wußte, wann er eine Bestechung vor sich hatte. Außerdem standen die Geister Tsunehikos und Raikōs zwischen ihm und diesem Angebot.
    »Ihr werdet mir helfen, falls ich die Nachforschungen in den Mordfällen einstelle?« fragte er und nannte damit den offensichtlichen Haken an der Sache beim Namen.
    Angesichts der Unverblümtheit Sanos verzog Katsuragawa den Mund. »Also gut. Ja.«
    »Ich kann es nicht.«
    Katsuragawa blieb wie angewurzelt stehen. »Habt Ihr den Verstand verloren, Sano Ichirō?« sagte er grob. »Seht Ihr denn nicht, was Ihr Euch und Eurem Vater damit antut? Außerdem könnt Ihr jetzt ohnehin nichts mehr unternehmen, was die Morde betrifft. Ihr seid kein yoriki mehr. Niemand braucht Eure Fragen zu beantworten oder muß Euren Befehlen gehorchen. Solltet Ihr versuchen, private Nachforschungen anzustellen, werdet Ihr verhaftet und schwer bestraft, weil Ihr Euch in Regierungsangelegenheiten eingemischt habt. Es ist vorbei, Sano -san. Gebt endlich auf!«
    »Nein!«
    Als er sich von Katsuragawa losriß, erkannte Sano, daß er die Verbindung zu seinem Gönner mit nur einem einzigen Wort gelöst hatte. Ein überwältigendes Gefühl der Befreiung stieg in ihm auf, wenngleich es durch Furcht gedämpft wurde. Ein einflußreicher Gönner, der Beziehungen zu den richtigen Leuten besaß, war ein Muß für einen Samurai, der es beruflich und privat zu etwas bringen wollte. Ohne einen solchen Gönner konnte Sano jede Hoffnung auf berufliches und gesellschaftliches Fortkommen begraben. Was hast du getan! schrie es in seinem Innern.
    »Ihr habt tatsächlich den Verstand verloren.« Katsuragawa Shundai rieb die Hände aneinander, als wollte er auf diese Weise die Verpflichtungen abstreifen, die er Sano und seiner Familie gegenüber hatte. Dann schritt er ohne ein weiteres Wort die Gasse hinunter. Doch bevor er außer Hörweite war, wandte er sich noch einmal um.
    »Wißt Ihr eigentlich, weshalb Magistrat Ogyū und ich damals der Meinung waren, daß Ihr einen guten yoriki abgebt?« sagte er. »Weil wir glaubten, Eurer Unerfahrenheit wegen wärt Ihr unfähig und harmlos. Weil wir glaubten, Eurer Dankesschuld wegen wärt Ihr leicht zu beeinflussen, zu leiten und zu lenken.« Katsuragawa lachte spöttisch. »Damals haben wir uns in Euch getäuscht. Diesmal passiert uns das nicht wieder. Wenn Ihr diesen Weg weiter beschreitet, seid Ihr so gut wie tot.«
     
    Als Sano vor sein Elternhaus ritt, brach bereits die Abenddämmerung herein. Sein Pferd war immer noch mit dem Reisegepäck beladen. Nur die Urne mit Tsunehikos Asche fehlte; widerwillig hatte Sano sie bei Ogyūs Schreiber zurückgelassen. Dann folgten die beiden Lastenträger, die Sano angemietet hatte, um seine Habseligkeiten aus der Polizeikaserne zu schaffen. Sano stieg

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