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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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Knöchel, Waden und Kniescheiben fehlten.
    Sano schluckte eine trockene Masse hinunter, die ihm in die Kehle gestiegen war, während er das Ausmaß der Verstümmelungen betrachtete. Klaffende, tiefe Schnittwunden an Gliedmaßen und am Torso ließen blutiges Gewebe und Knochen erkennen. Prellungen und rote Striemen bedeckten das Gesäß. Als der Wind das Haar der Toten flattern ließ, sah Sano eine weitere Verletzung: Um ihren Hals hatte sich das gewundene Muster des Strickes eingedrückt, mit dem der Mörder die junge Frau erwürgt hatte.
    »Gnädiger Buddha.« Sanos Lippen bewegten sich wie von selbst zu einem Gebet.
    Der schwarze Hund bellte und sprang Sano plötzlich an, hielt jedoch im letzten Moment inne. Auf dieses Zeichen hin fingen die beiden anderen Hunde zu knurren an. Scharfe Zähne funkelten in ihren roten Mäulern, als sie auf Sano eindrangen, um ihn von ihrer Beute zu vertreiben.
    Als die Entsetzensstarre von ihm abfiel, kehrte Sanos Stimme wieder. »Verschwindet!« rief er und trat nach den Hunden. »Fort mit euch!«
    Noch immer knurrend, wichen die Hunde widerwillig zurück. Sano kniete neben der Ermordeten nieder. Nachdem er Noriyoshis Leichenöffnung miterlebt und den getöteten Tsunehiko entdeckt hatte, war Sano der Meinung gewesen, gegen einen Anblick solcher Art gefeit zu sein. Aber die Leichenöffnung hatte einen bestimmten Zweck gehabt, und Tsunehiko – wie schrecklich sein Tod auch gewesen sein mochte – war an einer einzigen Schnittwunde gestorben. Diese sinnlose Grausamkeit jedoch erschütterte Sano bis ins tiefste Innere. Was für ein Ungeheuer konnte einem Menschen so etwas antun?
    Sano schaute zur Straße und zur Brücke zurück. Er mußte den Wächter rufen und die Polizei. Zuvor aber wollte er das Gesicht der Frau sehen. Falls sie eine Nachbarin sein sollte, war es besser, ihre Familie zu verständigen statt einen dōshin oder einen sonstigen Beamten. Vorsichtig schob Sano die Hände unter die Hüfte und die Schulter der Toten, um die schlimmsten Wunden nicht zu berühren; dann drehte er die Leiche auf den Rücken. Sein Magen verkrampfte sich, als er sah, daß der Mörder ihr beide Brustwarzen abgeschnitten hatte, so daß zwei kreisförmige Wunden das rohe Fleisch enthüllten. Von Übelkeit gepackt, schaute Sano der Toten ins Gesicht.
    Er blickte in hervorquellende Augen, in denen sich immer noch der Ausdruck unsäglichen Grauens spiegelte. Die Wangen und die Nase waren angeschwollen. An den Mundwinkeln waren Fäden getrockneten Blutes zu sehen. Es war ein vertrautes Gesicht, vom Tod entstellt, aber nicht so sehr, als daß Sano die Frau nicht erkannt hätte.
    »O-hisa«, flüsterte er.

25.
    D
    ie Hunde bellten und knurrten am Ufer des Kanals; Raben krächzten, während sie am Himmel kreisten. Doch diese Laute streiften nur die Oberfläche von Sanos bewußter Wahrnehmung. Wer hat O-hisa getötet und warum, fragte er sich.
    Die Schuldgefühle und der Haß auf sich selbst, die Sano nach Tsunehikos Ermordung verspürt hatte, kehrten mit aller Macht zurück. O-hisa war seinetwegen gestorben. Wieder klebte das Blut eines Mordopfers an seinen Händen. Und dieser Mord war schlimmer als alle vorherigen, denn diesmal war Sano sich der Risiken bewußt gewesen. Aber weshalb lag O-hisas Leiche hier, in dieser Gegend? Daß sie ihn, Sano, hatte aufsuchen wollen, war ausgeschlossen; er hatte ihr nicht gesagt, wo er wohnte.
    Rasch ließ Sano den Blick in die Runde schweifen. Neben der Leiche war nur wenig Blut am Boden zu sehen, und es gab keinen Hinweis auf die abgetrennten Hände, Füße oder O-hisas Kleidung. Die Zäune schirmten den Kanal zwar vor Blicken aus den Häusern ab; aber gewiß hätte jemand O-hisas Schreie gehört, wäre herbeigeeilt und hätte Täter und Opfer gesehen. Der Betreffende hätte die Polizei verständigt oder vielleicht sogar selbst eingegriffen. Hätte er den Mord nicht verhindern können, hätte er zumindest O-hisas Leiche geborgen. Nein, der Mord mußte anderswo verübt worden sein. Aber warum hatte man die Leiche hierher geschafft, kaum mehr als hundert Schritt von Sanos Elternhaus entfernt?
    Schnelle Schritte pochten auf der hölzernen Brücke über Sano; dann erklangen sie in seinem Rücken. Sano drehte sich um. Die plötzliche Erkenntnis traf ihn wie ein Schwall eiskalten Wassers, als er drei Männer auf sich zu eilen sah: einen dōshin, begleitet von zwei Helfern. Einer von ihnen hielt ein aufgerolltes Seil in der Linken, und beide schwangen Keulen, die mit

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