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Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
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erwartet. Die meisten Frauen interessierten sich ohnehin nicht für Regierungsangelegenheiten. Erneut fragte sich Sano, was die Fürstin so anders als andere Frauen machte.
    In diesem Moment wurde an einer Seite des Zimmers eine Tür aufgeschoben. Ein Hausmädchen kam auf den Knien in den Raum, ein Servierbrett mit Reiskuchen, einer Teekanne und Teeschalen in den Händen. Das Mädchen erhob sich und ging durchs Zimmer. Als sie das Tablett vor Sano abstellte und ihm einschenkte, zitterten ihre Hände so sehr, daß sie den grünen Tee über das Servierbrett vergoß. Sano sah ihr angespanntes, blasses Gesicht und die verweinten roten Augen.
    »O-hisa! Bring das Tablett hinaus, du Närrin, und hole sofort ein neues!« sagte Fürstin Niu mit scharfer Stimme.
    Das Hausmädchen brach in Tränen aus; ihr Schluchzen klang überlaut in der Stille. Sie nahm das Servierbrett auf, doch nun stießen ihre heftig zitternden Finger den Reiskuchen herunter, so daß er zu Boden fiel. Sano beugte sich vor, um der jungen Frau zu helfen. Er staunte über ihre heftige Reaktion auf Fürstin Nius Schelte. Oder gab es einen anderen Grund dafür? War es die Trauer um Yukikos Tod?
    »Eii -chan, kümmere dich um sie!« befahl Fürstin Niu.
    Für einen so großen Mann bewegte Eii -chan sich schnell und geschmeidig. Schon Augenblicke bevor die Fürstin sich an ihn gewandt hatte, war er losgeeilt, als hätte er ihren Befehl vorausgeahnt. Blitzschnell durchquerte er das Zimmer, legte den Kuchen zurück aufs Servierbrett, nahm es vom Boden auf und packte den Arm des Hausmädchens – alles in einer einzigen, fließenden Bewegung. Unsanft beförderte er das Mädchen samt Tablett aus dem Zimmer; dann nahm er wieder neben der Fürstin Platz. Das alles geschah so schnell, daß Sano kaum mit den Augen blinzeln konnte, und Eii -chans Gesicht war so unbewegt wie eine geschnitzte No-Maske geblieben. Trotz seines grobschlächtigen Erscheinungsbildes war er der perfekte Diener und vermutlich weitaus klüger und aufmerksamer, als seine Herren vermuteten – ein Mann, der sich durchaus seine eigene Meinung bildete.
    »Ich möchte mich für die Ungelegenheit entschuldigen, die meine tolpatschige Dienerin Euch bereitet hat«, sagte Fürstin Niu. Dann legte sie den Kopf zur Seite und runzelte die Stirn, als hätte sie irgendein Geräusch gehört, das ihr mißfiel.
    Dann hörte auch Sano die gedämpften Schluchzer. Sie kamen hinter dem Wandschirm hervor, hinter dem die Töchter des Daimyō sich verbargen. Weinten auch sie um Yukiko? Sano glaubte, in diesem Haus eine seltsame Unterströmung aus Gefühlen spüren zu können. Doch welche Gefühle? Furcht? Verzweiflung? Oder beeinflußte das Wissen, daß Yukiko vermutlich gar keinen Selbstmord begangen hatte, Sanos Urteilsvermögen?
    »Midori. Keiko. Laßt uns allein!« Auf Fürstin Nius leisen Befehl hin verstummte das Schluchzen. Dann erklangen Scharren und Schritte; eine Tür, die vom Wandschirm verborgen war, wurde geöffnet und geschlossen. Die Mädchen waren gegangen, ohne daß Sano sie zu Gesicht bekommen hatte.
    »Es ist wohl das beste, wir bereden diese Angelegenheit, ohne daß unschuldige junge Mädchen zugegen sind«, sagte Fürstin Niu. »Nun denn, was möchtet Ihr noch wissen?«
    In diesem Augenblick wurde die Tür, durch die O-hisa ins Zimmer gekommen war, erneut aufgeschoben. Sano – dankbar, durch diese Unterbrechung Gelegenheit zu bekommen, seine Gedanken zu ordnen – schaute zur Tür und sah einen jungen Mann im Eingang stehen.
    »Entschuldige, daß ich dich unterbreche, Mutter«, sagte er, »aber der Priester ist gekommen, um mit dir die Einzelheiten für Yukikos Totenfeier zu besprechen.«
    Zum ersten Mal schien Fürstin Niu sich unbehaglich zu fühlen. Sie hob den Arm, als wollte sie den jungen Mann aus dem Zimmer winken; dann aber faltete sie die Hände wieder im Schoß und sagte steif: »Yoriki Sano, darf ich Euch meinen Sohn vorstellen? Niu Masahito, jüngster Sohn des Fürsten Niu.«
    Sano verbeugte sich. Er staunte über die Ähnlichkeit des jungen Fürsten mit seiner Mutter. Beide besaßen die gleiche Schönheit des Gesichts, zu der die untersetzte, stämmige Gestalt einen seltsamen Kontrast bildete. Der Oberkörper des Fürstensohnes ließ erkennen, daß er harte körperliche Übungen machte. Er hatte breite Schultern und eine deutlich ausgeprägte Muskulatur am Hals und jenen Bereichen von Armen und Brust, die nicht vom tristen grauen und schwarzen Kimono bedeckt waren. Doch die funkelnden

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