Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Kirschbluetenmord

Der Kirschbluetenmord

Titel: Der Kirschbluetenmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Joh Rowland
Vom Netzwerk:
-chans häßliches, grobschlächtiges Gesicht war unbewegt, doch in seinen kleinen Augen lag ein warnendes Funkeln. Beleidigst du meine Herrin, stirbst du durch meine Hand, schien sein Blick zu sagen.
    »Was hat das zu bedeuten?« Fürstin Niu näherte sich mit hoheitsvollen Schritten, doch außer sich vor Zorn. Sie wurde von drei Gefolgsleuten ihres Gatten begleitet, die in ihrer schwarzen Kleidung düster und bedrohlich wirkten. Hastig bildete die Menge eine Gasse für die Fürstin und ihre Begleiter. Der Gesang des Priesters erstarb; das Klingeln der Glöckchen und das dumpfe Pochen der Trommeln verstummten. Nur noch das Knistern der Flammen war zu vernehmen.
    Panik stieg in Sano auf. Was würde die Fürstin mit ihm tun? Er warf einen gehetzten Blick auf die Trauergäste und sah, wie die Blicke einiger Anwesender sich auf ihn richteten. Auch Ogyūs Kopf fuhr zu Sano herum. Was würde der Magistrat unternehmen, falls er ihn erkannte? Falls er erfuhr, daß Sano nicht nur seine Befehle mißachtet, sondern zudem noch Yukikos Totenfeier gestört hatte? Eii -chan und die anderen Samurai umringten Sano. Er wich nicht von der Stelle, blickte die Fürstin an und hoffte inständig, daß sie seinen Namen nicht nannte, so daß Ogyū nichts von seiner Anwesenheit erfuhr.
    Die Fürstin starrte Sano schweigend an. Vielleicht konnte sie sich nicht an seinen Namen erinnern, oder sie wollte vermeiden, daß ihre Freunde erfuhren, daß ein hoher Polizeibeamter die Totenfeier ihrer Stieftochter gestört hatte. Schließlich trat sie vor und sagte so leise, daß nur Sano es hören konnte: »Ich habe Euch schon einmal gewarnt. Eine zweite Warnung gibt es nicht.« In ihren schönen Augen blitzten Zorn und, seltsamerweise, Furcht auf. Sie wandte sich an ihren Diener. » Eii -chan, bringe diesen Mann zum Tor.«
    Noch bevor die Fürstin geendet hatte, ergriff Eii -chan bereits die Initiative und bewegte sich mit der ihm eigenen Geschmeidigkeit und Schnelligkeit. Ein stechender Schmerz durchraste Sanos Arm bis hinauf zur Schulter, als Eii -chan zupackte, ihm den Arm auf den Rücken drehte und nach oben drückte. Sano stöhnte leise auf; nur dank seiner instinktiven Selbstbeherrschung konnte er einen Schmerzensschrei unterdrücken. Und nur der Wunsch, von Ogyū nicht erkannt zu werden – falls dies nicht bereits geschehen war – veranlaßte ihn, schicksalergeben den Kopf zu senken, statt den Versuch zu unternehmen, sich aus Eii -chans hartem Griff zu befreien. Halb bewußtlos vor Schmerz, taumelte Sano aus der Menge, brutal vorangestoßen von Eii -chan. Benommen sah er, wie Fürstin Niu sich entschuldigend an die Trauergäste wandte, und hörte verschwommen, wie der Hohepriester wieder den Gesang aufnahm, begleitet vom hellen Läuten der kleinen Glocken und dem dumpfen Pochen der Trommeln. Das Gefühl der Scham verstärkte Sanos Schmerz und seinen hilflosen Zorn, als er die neugierigen Blicke Hunderter von Trauergästen spürte, die Zeugen seiner Demütigung wurden.
    Kaum waren Sano und Eii -chan an den steinernen Stufen am Fuß der Uferböschung angelangt – weit genug von der Menge entfernt, als daß jemand Sano noch hätte erkennen können –, griff er an. Er trat mit aller Kraft auf Eii -chans Spann und stieß ihm wuchtig den Ellbogen des freien Arms in den Magen. Doch der Diener zeigte keine Wirkung, gab keinen Laut von sich, als wäre er aus Stein: hart, gefühllos, leblos. War er stumm? Konnte er einen solchen Schmerz ertragen, ohne einen Laut von sich zu geben? Oder durfte er nicht reden, wollte er nicht reden? Eii -chan verdrehte Sano den Arm; dann schob und stieß er ihn die Stufen hinauf. Diesmal konnte Sano einen Schmerzensschrei nicht unterdrücken.
    »Warte, Eii -chan« , sagte eine Männerstimme hinter ihnen.
    Eii -chan blieb am Tor stehen und drehte sich um, wobei er Sano, ohne dessen Arm loszulassen, wie eine Stoffpuppe mit sich herumschwang. Durch einen Nebel aus Schmerz sah Sano den jungen Fürsten Niu am oberen Ende der Treppe stehen – klein, aber stolz in seinen schwarzen Umhängen.
    »Ihr könnt uns offenbar nicht in Ruhe lassen, yoriki Sano«, sagte Fürst Niu. Er trat vor und lehnte sich an einen Torpfosten. »Aber ich glaube, Ihr habt jetzt erkannt, daß weitere Einmischungen in unsere Familienangelegenheiten sehr unangenehme Folgen für Euch haben können. Oder?«
    Sano, der sich einen neuerlichen Schmerzensschrei verbiß, konnte nichts erwidern.
    Dann – beinahe wie ein Gedanke, der ihm erst im nachhinein

Weitere Kostenlose Bücher