Der Klabautermann
sie es zuließen, sich von ihm betrügen zu lassen.
»Sie haben spiritistische Sitzungen besucht, Baronin?« fragte er denn auch diesmal sofort.
»Oh, ich habe schon phantastische dramatische Seancen erlebt. Erscheinungen von Toten. Stimmen aus dem Jenseits … Einer Freundin von mir erschien ihr dritter Mann, sie fiel in Ohnmacht, denn sie hatte eigentlich den zweiten Mann sehen wollen. Der dritte war unter ungeklärten Umständen gestorben und erzählte nun, daß man ihm Strychnin gegeben habe. Meine arme Freundin endete in einer Nervenheilanstalt … Ah, Sachen habe ich erlebt …!«
»Fabelhaft!« rief Hallinsky aus.
»Was ist daran so fabelhaft?« fragte die Baronin etwas schockiert.
»Ungefähr zweihundert Meter von dem Grundstück an der Algarve entfernt hat eine Frau Loretta Dubensteiner gebaut. Witwe des berühmten Kommerzienrats Dubensteiner, dem die Porzellanwerke in Sintra gehörten. Loretta Dubensteiner hat einen kleinen, exklusiven Kreis von Damen um sich versammelt, die jeden Freitag ihre Seancen abhalten. Neulich haben sie mit Napoleon I. gesprochen. Er hat ihnen erzählt, er sei auch vergiftet worden. Auf St. Helena, mit Arsen, von seinem Haushofmeister, den die Engländer bestochen hätten. Und einmal erschien ihnen Casanova … da war was los! Ich habe es mir erzählen lassen, ich war ja nicht dabei, aber die Damen waren tagelang wie verwirrt.«
»Das ist ja ungeheuerlich!« Die Baronin starrte Hallinsky an. »So etwas erzählen Sie mir jetzt erst …?«
»Ich hatte Angst, die spiritistischen Damen könnten Sie abschrecken, das Grundstück nebenan zu kaufen.«
»Aber im Gegenteil!«
»Heißt das, Sie kaufen es, Baronin?« fragte Hallinsky mit klopfendem Herzen.
»Eine Million ist mir zu happig …«
»Immer wieder mein Vorschlag: Die Banken schätzen sich glücklich, dafür ein Darlehen zu geben. Und in drei Jahren – wie wir errechnet haben – verbuchen Sie einen Gewinn von mindestens 50 Prozent! In 5 – 6 Jahren von 100 Prozent! Man muß nur Mut zum Risiko haben. Die Däumchendreher werden nie zu Dukateneseln … hahaha!«
»Und was soll ich mit dem Geld?«
Eine solche Frage hatte Hallinsky in seinem Leben noch nie gehört. Er war deshalb auch so verblüfft, daß er keine Entgegnung fand. Bisher hatte jeder nur danach getrachtet, sein Bankkonto noch mehr zu erhöhen. Es konnte gar nicht hoch genug sein. Und da sitzt nun eine Frau und fragt allen Ernstes: Was soll ich mit dem Geld?
Phänomenal!
»Sie haben keine Erben, Baronin?« fragte Hallinsky, noch immer etwas verwirrt.
»Aber ja! Eine Cousine, drei Neffen …«
»Na also!«
»Nichts da, Herr Hallinsky. Ich bin ja gerade dabei, mein Vermögen durchzubringen, um nichts zu hinterlassen.«
»Baronin, da bin ich für Sie der richtige Mann!« rief Hallinsky und sagte zum erstenmal die Wahrheit. »Bringen Sie es durch in Portugal!«
»Wieso? Sie rechneten doch eine Vermehrung des Vermögens aus …«
»Um so mehr können Sie auf die Pauke hauen – ist das nicht fabelhaft?« hakte Hallinsky schnell nach. »Im Augenblick legen Sie Ihr Vermögen in Reisen an und kaufen sich Schmuck – Frage: Wer erbt denn den? – und entwickeln eine große Phantasie, wie man noch mehr Geld unter die Leute bringen könnte. Die Million in Portugal, die Sie anlegen, verdoppelt sich – was könnten Sie damit tun? Stiftungen gründen für ausgerutschte Mädchen, versklavte Frauen, für eine Aktion ›Rettet den Wald‹ … es gibt ja hundert Gründe, durch Stiftungen Gutes zu bewirken. Tierheime könnte man bauen auf der ganzen Welt; der Name von Sahlfelden würde in unzählige Gedenksteine eingemeißelt werden. Ins Lexikon kommen Sie und in das Buch der Rekorde!«
»Ich habe schon zwei Stiftungen bestimmt, die nach meinem Tod das Restvermögen erben sollen«, entgegnete die Baronin sehr ernst. »Zur Erforschung der Leukämie bei Kindern und zur Erforschung der Alsheimerschen Krankheit.«
»Dafür kann man nicht genug Millionen haben. In Portugal könnten Sie spekulativ die Stiftungen aufstocken … Baronin, Sie haben mich überzeugt: Sie haben noch eine große Arbeit vor sich. Hallinsky wird Ihnen dabei helfen …«
Er unterbrach seinen enthusiastischen Redefluß, weil sich Herr Falkenhausen zu ihnen gesellte und auf den freien Stuhl an ihrem Tisch auf dem Sonnendeck zeigte.
»Noch frei? Darf ich mich dazusetzen?« fragte er und saß schon, bevor die Baronin nickte. Hallinsky sah ihn reserviert an. Sein bester Schwung war abgebremst
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