Der Klang Deiner Gedanken
sie wollte nicht, dass er endete.
Baxter lag mit einer Erkältung bei sich zu Hause im Bett. Allie hatte sich deshalb nach draußen getraut, aber vorher insgeheim beschlossen zu fliehen, sobald das Thema Hochzeit auch nur erwähnt wurde. Es war ihr erspart geblieben. Gemeinsam sprachen sie über den Tunesienfeldzug, wo inzwischen die amerikanischen Truppen aus dem Westen und die britische Armee aus dem Osten zueinander durchgestoßen waren. Nicht mehr lange und die Achsenmächte wären aus Nordafrika vertrieben. Ihre Mutter und Allie unterhielten sich darüber, wie die jüngste Rationierung von Fleisch, Butter, Käse und Konserven die Essensplanung beeinträchtigte, und ihr Vater tat seine Meinung über Roosevelts Maßnahme kund, die Gehälter und Preise einzufrieren.
„Ich denke, ich werde zu Bett gehen“, sagte Allies Mutter wie immer gegen zehn Uhr.
„Ich auch.“ Allie lächelte ihre Eltern dankbar an und ging ihnen voraus ins Haus. Zwei Briefe von Walt warteten auf sie, aber seit ihr Vater sie darauf angesprochen hatte, ließ sie sich beim Postholen nichts mehr anmerken.
Ihre Zukunft musste nicht zwangsweise mau aussehen, hatte Allie beschlossen. Wenn Walt zurückkam, würde er sowieso irgendwo in den Vereinigten Staaten stationiert, also bliebe es erst einmal bei ihrem Briefkontakt. Und vielleicht würde er nach und nach Gefühle für sie entwickeln und ihre Eltern würden ihn Stück für Stück akzeptieren. Wenn Gott ein Wunder wirken konnte, warum nicht auch zwei?
In ihrem Zimmer machte Allie sich bettfertig und kuschelte sich in den Kissenberg auf ihrem Bett.
Die Briefe waren schon etwas älter: der eine vom 19. März, der zweite vom 21. Sie legte die Umschläge zufrieden auf ihre Knie. Inzwischen schrieben sie sich jeden zweiten Tag. Ob sie irgendwann sogar zum täglichen Rhythmus wechseln würden?
Seit ihrer Trennung von Baxter im Februar hatte Walt schon einige Briefe bekommen. Ob ihm etwas an ihrem Schreibstil aufgefallen war? Hatte er bemerkt, dass sie Baxter oder die Hochzeitspläne nicht mehr erwähnte?
Allie öffnete den ersten Brief.
Liebe Allie,
was für ein schöner Tag. Ich fange mit Deinem Brief an. Welchen Schritt auch immer Du im Gehorsam gegangen bist, er tut Dir gut! Du hörst Dich viel fröhlicher an. Ich bin stolz auf Dich.
Der Einsatz heute war ein Volltreffer. Der größte Erfolg bisher überhaupt. Alles, was in den Zeitungen darüber steht, kannst du glauben.
Ach, ich habe Neuigkeiten: Mein Bruder Jack ist hier. Sein Geschwader wurde in unseren Teil der Welt verlegt und seine Staffel trainiert auf unserem Stützpunkt. Ich freue mich riesig, ihn zu sehen. Er hat lauter Neuigkeiten von zu Hause mitgebracht. Und Briefe, bei denen die Tinte noch nicht mal richtig trocken ist.
Wir haben uns den ganzen Abend unterhalten. Inzwischen ist es schon fast Mitternacht und ich schreibe im Schein der Taschenlampe.
Heute hatte ich einen echten Geistesblitz: Jack hat irgendwas an sich, das die Leute anzieht. Er muss sich dafür noch nicht einmal ins Zeug legen. Heute Abend habe ich ihn beim Gespräch mit Cracker beobachtet und da wurde mir klar, dass ich nicht nur Jack, sondern auch Cracker um sein Charisma beneide. Also war ich mindestens genauso schuld an den Spannungen zwischen uns am Anfang.
Oh Mann, ich sollte so spät nichts mehr schreiben. Wieder so ein Besuch im verrückten Kopf von Walter Novak. Die Taschenlampenbatterie geht alle. Earl Butterfield hat gerade etwas auf mich geworfen – Du willst gar nicht wissen, was – und er meinte, das Kratzen meines Stiftes auf dem Papier dröhne in seinem Kopf wider. Da dröhnt wohl eher der Whisky.
Morgen fliegen wir nicht, also kann ich ausschlafen. So wie Du. Schlafen Sie gut, Miss Miller.
„Werde ich.“ Allie küsste ihren Zeigefinger und drückte ihn auf Walts Unterschrift. Wie schön, dass Jack in England war. Das war sicher ein großer Trost für Walt.
* * *
Jack legte Walt eine Hand auf die Schulter. „Wenn du das Steuerrad nach vorn drückst, fliegt das Flugzeug nach unten. Wenn du ziehst, geht es nach oben. Nach vorn – nach unten, nach hinten – nach oben. Verstanden?“
Walt funkelte seinen Bruder wütend an, der in der Besprechung hospitierte, aber Jacks Grinsen brachte ihn zum Lachen. Er konnte ihm seine erste Flugstunde mit Grandpa einfach nicht vergessen machen. Beim Start hatte der zehnjährige Walt den Steuerknüppel nach vorn gedrückt. Wieso fuhr das Flugzeug nicht los? Ray und Jack hatten sich auf der
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