Der Klang Deiner Gedanken
letztens zu mir, sie sei in mich verschossen. Nachdem ich meinen Schock überwunden hatte, habe ich mich mit ihr verabredet. Sie ist sehr nett und wirklich – man glaubt es kaum – in mich verknallt.
Jetzt die schlechte Nachricht: Emily ist ein bisschen neidisch auf unsere Freundschaft. Sie weiß es zu schätzen, dass Du immer ein offenes Ohr für mich hast, aber sie sagt, das sei jetzt ihre Aufgabe, und ich fürchte, sie hat recht. Unser Briefkontakt wird mir unglaublich fehlen, das kannst du mir glauben. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viel mir unsere Freundschaft bedeutet. Aber du wirst bald alle Hände voll zu tun haben mit deinem Ehemann und deinem neuen Zuhause und dann sowieso keine Zeit mehr haben, irgendeinem dahergelaufenen Piloten zu schreiben.
Ich werde nie vergessen, was für eine besondere Frau Du bist und wie viel Kraft mir Deine Briefe, Päckchen und vor allem Gebete gegeben haben. Ich werde auch in Zukunft für Dich beten, vor allem für Eure Ehe.
Für immer Dein Freund, Walter
Gute Nachrichten? Allie schlug sich die Hand vor den Mund. Nein, das waren beides schlechte Nachrichten. Ihr Magen begann sich zu drehen und sie drückte fester zu, um sich nicht übergeben zu müssen.
Walt hatte eine Freundin. Kein romantisches Wiedersehen auf dem Bahnsteig, kein Kuss unter dem Orangenbaum, kein ...
Seine Handschrift verschwamm vor ihren Augen, begann zu tanzen und sie damit zu sticheln, was nun niemals Wirklichkeit würde. Irgendein hübsches englisches Fräulein weidete sich an seinem Lächeln, an seinen Umarmungen, seinen Küssen. Für Allie war diese Tür für immer zugeschlagen.
Tränen rannen ihr die Wangen herunter. Sie rollte sich auf dem Bett zusammen, eine Hand um den Mund, die andere um den Magen geklammert. Keine Briefe mehr von Walt. Sein Humor, seine Offenheit, sein Verständnis – vorbei. Der Verlust dieser wahren und kostbaren Freundschaft wog noch viel schwerer als die Zerstörung ihrer lächerlichen Fantasien.
Vor Allie öffnete sich ein gähnender, schwarzer Abgrund – ein Leben ohne Walt.
* * *
Auf Walts Sauerstoffmaske rann der Schweiß herunter. Er wischte mit dem Handrücken über die Stirn, aber der Lederhandschuh verschmierte bloß alles.
„Ziel auf ein Uhr voraus“, rief J.P. „Er hat es auf den Neuling vor uns abgesehen.“
Walt blinzelte reflexartig, als Flossie durch eine schwarze Wolke flog. Die Flak war „so dicht, dass man darauf gehen konnte“, wie die Männer oft sagten. Die Deutschen hatten eine Unmenge von Flakgeschützen in Bremen stationiert, um den Hafen und die Flugzeugwerke zu schützen.
Normalerweise mieden die Jagdflugzeuge das eigene Flakfeuer, aber diese Gruppe flog geradewegs hindurch. Dumm, aber trotzdem taktisch klug. Denn beim Bombenanflug bildeten die Fliegenden Festungen eine lange Reihe und büßten damit die geballte Feuerkraft ein, die sie in der Flugformation hatten.
Ob Allie für ihn betete? Hatte er ihre Gebete überhaupt noch verdient, nachdem er sie so schändlich angelogen hatte? Na gut, sie wusste nichts davon, aber Gott wusste es.
Die Fw 190 schoss am Neuling vorbei und Flossie vibrierte vom Feuer ihrer eigenen Geschütze. Aus dem zweiten Motor der anderen Fliegenden Festung drang zuerst Rauch, dann schlugen Flammen.
„Na los, löscht den Motor, macht schon“, sagte Walt.
Der Neuling verlor an Höhe und fiel zurück. Im Vorbeifliegen sah Walt noch, wie der linke Flügel Feuer fing.
„Sie springen ab“, rief Harry von der linken Seite des Rumpfs. „Ich sehe drei Fallschirme. Vier, Fünf.“
„Und noch eine B-17 hat’s erwischt“, sagte Mario monoton. „Direkter Flaktreffer, das ganze Heck ist weg. Ich kann keine Fallschirme sehen, ist zu weit weg.“
Walt schüttelte den Kopf. Das war das vierte Flugzeug, das das 306. Geschwader heute verlor. Dabei waren sie noch nicht einmal über dem Zielgebiet.
„Pass doch auf, du Trampel“, sagte Abe. Er kauerte im Bug über dem Bombenvisier, während Louis das neue Bug-MG gleich rechts über seinem Kopf bemannte – zum ersten Mal.
Im Bordsprechgerät war Louis ’ bissige Antwort zu hören. „Wenn du nicht willst, dass deine Spinnenfinger von deutschen Kugeln durchsiebt werden, dann solltest du lieber ...“
„Hey, Jungs“, sagte Walt. „Disziplin bitte auf der Sprechanlage.“
Eine Fliegende Festung vom 91. Geschwader trudelte in die Tiefe. Drei Kampfflieger umschwirrten sie. Walt zwang sich, tief durchzuatmen. So einen wilden Angriff hatte er noch nie
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