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Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Sundin
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Stuhl und hatte ihr den Rücken zugewandt. Der rechte Ärmel seines Bademantels war hochgeklappt. Eine Welle des Mitleids überrollte sie. Was wusste sie schon darüber, was er durchmachte?
    Allie zwang sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. So, wie sie den Henkel ihrer Handtasche umklammerte, war es ein Wunder, dass er noch nicht abgerissen war. Draußen brachen einzelne Sonnenstrahlen durch den Nebel und zauberten einen Lichtrand um die süßen kleinen Löckchen in seinem Nacken. Er hatte nur einen Schuh an, dessen Schnürsenkel offen herumlagen.
    Allie atmete tief durch. „Walter Novak?“, sagte sie mit piepsiger Stimme.
    Er drehte sich nicht um, sondern seufzte nur. „Hören Sie, Lady, ich gebe keine Interviews mehr. Sie sind sicher eine tolle Journalistin und würden meiner Geschichte gerecht werden, und der Redakteur hat Sie den ganzen weiten Weg bis hierher geschickt, aber ich habe die ganzen Interviews satt. Schluss damit. Außerdem bin ich nicht automatisch ein Held, nur weil ich ein paar Kugeln abgekriegt habe.“
    Trotz des harschen Tons klang seine Stimme wie Musik in ihren Ohren. „Das mag sein, aber wer halbtot einen schweren Bomber landet, ist in meinen Augen ein Held.“
    Er riss den Kopf herum und sah sie mit feurigen Augen an. „Ich habe doch gerade gesagt, ich gebe keine ...“ Das Feuer war wie weggeblasen. „Allie?“
    Sie lächelte sanft. „Hallo, Walt.“
    * * *
    Walt starrte sie an. Er blinzelte. Sie blieb da, in ihrem grünen Kleid mit der großen weißen Blume. Trug sie auch ...? Ja, sie trug die Kette mit dem Lilienkreuz. Sie war noch hübscher, als er sie in Erinnerung hatte, noch hübscher als auf den Fotos. In ihrem Lächeln funkelte irgendetwas Neues ... Ach ja. Sie war kurz davor, Braut zu sein.
    „W-was machst du denn hier?“
    Allie zog aufgeregt die Augenbrauen in die Höhe. „Ich ... ich besuche Betty. Gestern bin ich angekommen, aber ich bleibe nur eine Woche oder so.“
    Er war davon ausgegangen, dass er sie nie wiedersehen würde, und jetzt war sie plötzlich da und stand direkt vor ihm. „Aber warum bist du hier ?“
    Sie strich sich eine Locke hinters Ohr. „Na ja, ich ...“
    Enttäuscht wandte er sich ab und sah wieder aus dem Fenster. „Schon klar. Der Mitleidsbesuch.“
    „Nein. Nein, ich ... ich muss dir etwas Wichtiges sagen, und ja, ich wollte natürlich sehen, ob es dir auch wirklich gut geht. Als ich gehört habe, was dir passiert ist ...“
    Draußen umhüllte der Nebel die Bäume. „Betty hat es dir gesagt.“
    „Nein. Eigentlich weiß ich es von Cracker.“
    Sofort drehte Walt sich wieder um und sah Allie an. „Cracker?“
    „Ich war genauso erstaunt wie du. Er liegt in March Field und wollte, dass ich einen Brief für ihn schreibe. Dabei ... da habe ich herausgefunden, dass du verwundet wurdest.“
    „Cracker? Du hast Cracker gesehen? Wie geht es ihm?“
    „Er kann noch immer nicht sehen und hat mittlerweile die Hoffnung aufgeben. Und er macht sich riesige Sorgen um dich und Abe und Louis. Er wusste noch nicht einmal ob du ... ob du noch lebst.“ Ihre Stimme brach. „Da musste ich Betty anrufen.“
    Walt kniff die Augen zu. Er war vielleicht ein Idiot. Ohne seine blöde Lüge hätte er ihr einfach schreiben können, was passiert war, dann hätte sie sich keine Sorgen machen müssen. Ein schöner Freund war er.
    „Ich weiß, ich hatte dir versprochen, Betty nichts von unseren Briefen zu sagen, aber ich musste einfach wissen, wo du bist, und Cracker auch.“
    Walt machte eine Faust und schlug sich aufs Knie. Noch so eine Lüge von ihm. Ohne Grund hatte er ihr Sorgen bereitet.
    „Es tut mir leid, aber ich hatte keine Wahl.“
    Walt schüttelte den Kopf und konnte sie dabei nicht ansehen. „Das ist nicht das Problem.“
    „Oh.“
    Zwischen ihnen tat sich ein Abgrund des Schweigens auf, den er durch seine Lügen eigenhändig gegraben hatte. Jetzt könnte er ihr die Wahrheit sagen und auch noch den Rest seiner Sünde loswerden. Der Abgrund würde dadurch nicht kleiner werden, sondern eher noch größer, aber die Freundschaft hatte er ja sowieso schon zerstört. Warum die Sache nicht zu Ende bringen – mit der nackten Wahrheit.
    Er legte sich die Hand vor die Augen. Wenn er doch nur ein bisschen mehr Zeit hätte, das Ganze zu durchdenken.
    „Wenn das nicht das Problem ist, was dann?“
    Walt ließ die Hand sinken, sah Allie an und mochte sie mehr als je zuvor. Das Funkeln in ihren Augen war verschwunden, aber die Art, wie sie ihn

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