Der Klang Deiner Gedanken
unverwandt ansah und das Kinn leicht nach vorn reckte, zeigte unmissverständlich ihre innere Stärke. Bald würde sie einen anderen heiraten und er wollte ihr seine Liebe gestehen.
„Es geht nicht“, flüsterte er.
„Du hast recht. Deine Freundin.“ Sie senkte den Blick. „Wenn es sich schon nicht gehört, dass wir uns schreiben, dann erst recht nicht, dass ich hier einfach auftauche.“
Walt bewegte die Lippen, versuchte Wörter zu formen, aber nichts passte. Nichts kam heraus.
„Okay. Ich muss das tun. Ich muss einfach.“ Allie presste die Lippen aufeinander, öffnete ihre Handtasche und zog einen Umschlag heraus. „Hier. Für dich.“
„Hm?“ Er war doch derjenige, der etwas loswerden musste. Wieso gab sie ihm dann einen Brief? Er griff danach. Für einen kurzen Augenblick war seine Hand nur Zentimeter von ihrer entfernt. Walt legte den Umschlag auf seinem Schoß und versuchte, ihn mit einem Finger zu öffnen.
„Nein. Warte.“ Ihre großen Augen flehten ihn an. „Mach ihn erst auf, wenn ich weg bin. Ich werde ... ich werde immer für dich beten.“ Allegra drehte sich so schnell um, dass sie ihrem Namen alle Ehre machte.
„Allie, nein. Warte!“ Walt sprang auf, stolperte über seine Schnürsenkel und bekam gerade noch die Bettkante zu fassen. Als er sich wieder aufgerappelt hatte, war Allie schon längst aus der Tür. Wie sollte er sie mit nur einem Schuh einholen? Wie sollte er sie einholen, wenn er schon eine Viertelstunde brauchte, um seine dämlichen Schuhe zu binden?
Er ließ sich aufs Bett plumpsen, zog sich den Schuh aus ...
„Novak, wenn du noch mal einen Schuh nach mir wirfst, schlag ich dich zu Brei, ist das klar?“
Walt sah den Soldaten gegenüber wütend an und knallte den Schuh auf den Boden. Alles war schiefgegangen. Schön, er hatte keine Lüge nachgelegt, aber die Wahrheit hatte er auch nicht herausgebracht. Und jetzt war sie weg.
Allies Brief lag auf der Erde. Es war einer von der dicken Sorte, die er so mochte. Hastig riss Walt den Umschlag auf und holte mehrere Seiten heraus, die in ihrer hübschen Handschrift beschrieben waren.
Lieber Walt,
ich muss Dir so vieles sagen. Manches wird Dir vielleicht helfen, einiges wird Dich überraschen und anderes willst du lieber nicht hören. Bitte hab Geduld mit mir.
Zuerst möchte ich Dir sagen, wie sehr mir das mit Deiner Verwundung leidtut.
Walt stöhnte und ließ den Brief sinken. Wieso tat er sich das an?
Sie meinte es sicher gut. Wie immer. Aber was konnte sie ihm bieten? Er kannte inzwischen alle Mutmachsprüche auswendig. Vielleicht wollte sie ihm einige Bibelverse zur Stärkung zitieren, aber auch die hingen ihm zu den Ohren raus. Schließlich würde sie ihm von Herzen alles Gute wünschen, ihm versprechen, dass sie weiterhin für ihn beten würde und wahrscheinlich so etwas Grauenvolles sagen wie, dass Baxter und sie ein Kind nach ihm benennen wollten.
Walt schlurfte den Gang hinunter und ließ den Brief in den Mülleimer fallen.
„Ich kann das nicht ertragen.“
Kapitel 45
San Francisco
Freitag, 2. Juli 1943
„Du hast eine wunderschöne Wohnung, Louise.“ Allie machte es sich auf dem Sofa bequem und bestaunte die Aussicht auf die grünen Bäume im Golden Gate Park auf der anderen Straßenseite.
„Ach, sie ist winzig. Viel kleiner als das, was du aus Riverside gewöhnt bist.“ Louise Morgan setzte sich neben Allie und deutete auf die kleine Küche.
„Aber immer noch größer als das, was wir im Scripps College hatten.“
Louise lachte auf. „Wir hatten eine Menge Spaß dort, stimmt’s? Hier gibt es zwar keinen Vorplatz mit Mosaikboden, wo wir in der Sonne sitzen und so tun können, als würden wir lernen, oder ein Klavier zum Singen, aber wir können es uns bestimmt auch hier schön machen. Bitte, sag mir, dass du hierherziehst.“
„Bitte sag mir, dass du mich aufnimmst – und zwar bald.“
Louises braune Augen wurden hinter den Brillengläsern ganz groß. „Morgen?“
„Morgen klingt ausgezeichnet.“ Betty war sehr gastfreundlich, aber in Antioch erinnerte Allie alles an Walt.
Louise sprang auf und zog Allie hoch. „Wenn du morgen hier einziehen willst, dann musst du jetzt packen gehen. Wir können später nach Herzenslust reden. Ich kann es ja kaum erwarten, die ganze Geschichte mit Baxter zu hören. Bin ich froh, dass ihr nicht mehr zusammen seid. So ein kalter Fisch.“
Allie lächelte dankbar. Louise war eigentlich immer still gewesen, aber jetzt, wo ihr Mann in Nordafrika war,
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