Der Klang Deiner Gedanken
Dabei kippte das Boot zur Seite und sie klammerte sich schnell an den Rand.
„Vorsicht.“
„Verzeihung.“ Das Ufer formte hier eine kleine Einbuchtung, in der keine Strömung herrschte. Kurz darauf hatte sich die Wasseroberfläche beruhigt, und Allie erkannte im trüben Wasser schwarzweiße Flecken und große Augen. „Walt, das ist eine Kuh.“
Er lachte und zog die Riemen aus dem Wasser. „Veralbern kann ich mich allein.“
Allie winkte ihn herüber. Sie konnte den Blick nicht von dem verzerrten Bild abwenden. „Nein, im Ernst. Komm her. Es ist eine Kuh – eine riesige Metallkuh.“
Sie tauschten die Plätze. Walt spähte ins Wasser und sah Allie mit riesigen Augen an. Sie waren fast so groß wie die der Kuh. „Das ist Flossie!“
„Flossie?“
„Fortner’s Flossie. Ich habe doch gestern von ihr erzählt. Die Kinder, die sie gestohlen haben, haben wohl Panik gekriegt und sie hier hineingeworfen.“ Er setzte sich, drehte das Boot und rammte es ins Schilf. Dann stieg er aus.
Allie hielt sich fest. „Was tust du?“
Er watete angestrengt durchs Wasser. „Ich hole sie da raus.“
„Du spinnst. Sie ist zu groß.“
Er grinste sie über die Schulter an. „So groß wie ein Kalb. Und wenn Mr Fortner sie nicht zurückhaben will, dann ist immerhin jede Menge Altmetall drin. Das kann unser Land jetzt gut gebrauchen.“
Allie ließ sich über den Bootsrand ins Wasser gleiten. Zwischen ihren Zehen drückte sich Schlamm hindurch.
Walt sah sie verblüfft an. „Du machst mit?“
„Vaterlandspflicht.“ Sie knüpfte das Seil vom Bug ab. „Hilft uns das?“
„Ja. Gute Idee. Flossie steckt im Schlamm fest.“
Allie watete, bis ihr das Wasser bis zur Hüfte stand und gab Walt das Seil. Er band es um den Hals der Kuh.
„Okay. Ich tauche und rüttle. Du ziehst.“
„Alles klar.“ Als er verschwunden war, zog sie kräftig am Seil, aber die Kuh bewegte sich nicht.
Walt kam wieder hoch und schüttelte sich den Schlamm von den Händen. „Ich hätte jemanden mitnehmen sollen, der ein paar Kilo auf die Waage bringt. Du bist ja ein Fliegengewicht.“
Allie erkannte sofort, dass er es nett meinte. Sie wickelte sich das Seil um die Hand. „Pass bloß auf, was das Fliegengewicht alles kann.“
Walt tauchte wieder ab und Allie zog nach Leibeskräften. Dieses Mal bewegte sich Flossie. Beim zweiten Mal kippte sie um. Allie rutschte aus und die Wellen schwappten über ihr zusammen. Im rutschigen Schlamm fand sie keinen Halt, doch das Seil wollte sie trotzdem nicht aufgeben.
Eine feste Hand am Ellenbogen half ihr hoch. Sie wischte sich das Wasser aus dem Gesicht. „Danke.“
„Gern geschehen.“ Er zeigte auf das Seil. „Für ein Fliegengewicht gar nicht übel. Komm, wir holen Flossie hier raus.“
„Und dann?“ Sie wand das Seil um eine weniger rote Stelle an ihrer Hand.
Walt legte die Arme um den Bauch der Kuh. „Bis zur Brücke ist es nicht weit. Irgendwo hier muss eine Straße sein. Die Kuh ist ja auch irgendwie hergekommen.“
Sie zogen und lachten und rutschten aus und stießen mit glitschigen Armen und Beinen aneinander. Die Anstrengung stieg Allie mehr und mehr zu Kopfe.
Sie schob sich mit dem Rücken an einigen Rohrkolben entlang. „Ist die schwer!“
„Bald nicht mehr.“ Walt zog die Kuh weiter ins Schilf. „Wenn das Wasser einmal rausgeflossen ist, wird es besser.“
Allie spürte festen Boden unter den Füßen und das Schilf wurde nach und nach zu Gras. Aus Flossies Nähten rann Wasser. Erschöpft fiel Allie ins Gras. Walt tat es ihr gleich und sie keuchten, während die Sonne sie beschien.
„Sie sind ja total schmutzig, Miss Miller.“ Walt stupste mit dem Zeh ihre schlammige Wade an.
Sie lächelte belustigt. Neben schlammigen Armen und Beinen hatte er auch noch Roststreifen auf der Brust. „Sie aber auch, Lieutenant Novak.“
Er wischte sich die Hände an der Badehose ab und verschränkte sie dann hinter dem Kopf. „Wir zwei stolpern wirklich von einem Abenteuer ins nächste.“
Sie untersuchte ihre Hände – frische Maniküre und rote Streifen vom Seil. „Ich kann einfach nicht glauben, dass wir schon wieder eine Kuh erwischt haben.“
Walts melodiöses Lachen erklang laut und herzlich und Allie stimmte fröhlich mit ein.
Kapitel 6
Freitag, 26. Juni 1942
Zum fünften Mal ging Walt an der Tür des Belshaw-Gebäudes vorbei. „Das nächste Mal gehst du einfach rein. Mann, du bist Bomberpilot! Was ist so schwer daran, eine Tür zu öffnen?“
Von der anderen
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