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Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken
Autoren: Sarah Sundin
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Seite der Second Street winkte Mrs Llewellyn zu ihm herüber. Die alte Klatschtante würde in der ganzen Stadt herumerzählen, dass er sich nervös vor der Tür herumgetrieben hatte. Und damit nicht genug: Sie hatte ihn gerade abgefangen, um jedes Detail der Rettungsaktion aus ihm herauszukitzeln, nur damit sie sagen konnte, sie habe es direkt von Walter Novak gehört. Jedes Detail – wie Allie und er Flossie aus dem Fluss gezogen hatten, sie zur Straße gebracht und dann einen Pick-up angehalten hatten, in dem niemand Geringeres als Mr Fortner selbst gesessen hatte. Was Mrs Llewellyn natürlich eigentlich interessiert hatte, war, warum Walt und diese Zugereiste mit nichts weiter als ihren Badeanzügen bekleidet quer durchs Land marschiert waren.
    Walt winkte zurück, verschwand im Gebäude und stieg die Treppen zum Empfangssaal hinauf. Von der Deckenmitte hingen weiße Luftschlangen in alle Richtungen wie die Tentakel eines Kraken. Mrs Jamison und Mrs Anello waren damit beschäftigt, Tischdecken auf der langen Tafel zu verteilen, Betty und Dorothy fummelten an irgendeinem Blumengesteck herum und Allie stand rechts von ihm auf einer Leiter mit einer Luftschlange in der Hand.
    „Hey, Walt“, rief Betty. „Was machst du denn hier?“
    „Hi.“ Er blieb bei dem Versuch, die Hände aus den Hosentaschen zu ziehen, stecken. Schnell ließ er das Objekt in seiner Hand los und winkte. „Mir ist langweilig. Dad bastelt an der Predigt, Mom putzt, Art ist beschäftigt, Jim und Helen sind weggefahren, und George hat zu tun. Morgen ist ja die Hochzeit.“
    „Als ob wir das nicht wüssten.“ Lachen erfüllte den Saal.
    Walt zuckte zusammen. Dummer Satz.
    „Wir finden schon was zu tun für dich“, sagte Betty. „Allie, brauchst du Hilfe?“
    „Klar. Ich wäre viel schneller, wenn jemand für mich Klebeband abreißen würde.“
    Zeit mit Allie allein – genau das, worauf er gehofft hatte. Er schlenderte zu ihr hinüber. „Eigentlich sollte ich ja auf der Leiter stehen.“
    Allie zog eine Augenbraue hoch. „Kannst du Schleifen machen?“
    „Schleifen?“
    „Dachte ich’s mir doch.“ Sie beugte sich herunter und gab ihm eine Rolle Klebeband. „Hier, mach dich nützlich, du kleiner Bruchpilot.“
    „Ich wusste doch, dass die Armeeausbildung für was gut ist“, antwortete er grinsend. Die Aufgabe war langweilig, aber nicht ohne Reize – wie zum Beispiel die wohlgeformten Waden auf Augenhöhe. Wieso machten die Frauen nur so einen Aufstand wegen der Strumpfknappheit? Nackte Beine waren doch genauso gut.
    „Hübsche Aussicht“, sagte er und bereute es sofort. Schnell guckte er aus dem Fenster. Na wunderbar, jetzt war er beim Begaffen ihrer Beine erwischt worden.
    „Hmm?“ Sie beugte sich hinunter und sah aus dem Fenster auf die Baumwipfel, die die Straße säumten. „Oh. Stimmt.“ Sie klang nicht besonders überzeugt.
    Walt zeigte auf das Fenster. „Ich mag Bäume. Grün.“ Wie ihre Augen, wenn sie ihn anlächelte. War es hier drin schon die ganze Zeit so stickig gewesen? Er warf seine Offiziersmütze auf einen Tisch und krempelte sich die Ärmel hoch. Wieso musste er gerade jetzt einen Knoten in der Zunge haben? Gestern war doch alles so gut gelaufen. Es fiel ihm noch immer schwer zu glauben, dass sie sich übers Küssen unterhalten hatten. Ja, sie hatten tatsächlich übers Küssen geredet und sie hatte überhaupt nicht abgeneigt ausgesehen.
    Allie legte die Luftschlange so lange in Schleifen, bis sie wie eine Blume aussah. „Ich kann gar nicht fassen, dass die Woche schon halb rum ist.“ Sie nahm das nächste Stück Klebeband entgegen und seufzte.
    „Alles okay?“
    „Ja, mir geht’s gut.“ Ihr standen Tränen in den Augen. „Ich versuche, nicht an die Heimfahrt zu denken. Ach, du hältst mich jetzt bestimmt für schrecklich undankbar. Ich liebe meine Eltern, wirklich, und mein Zuhause, und Riverside, und ...“
    „Ich weiß. Aber keine Freunde, keine Abwechslung, keine Arbeit. Und noch nicht einmal eine gute Kirche.“
    Sie sah ihn einen langen Augenblick an und wandte sich dann wieder ihren Schleifen zu. „Ich wünschte, die Dinge lägen anders.“
    „Dann ändere sie doch.“
    Ihre Antwort war ein vielsagender Blick.
    „Ich weiß, du hast Angst, aber du kannst das. Geh in eine neue Kirche oder stell dich beim Roten Kreuz vor.“ Was hatte diese Frau an sich, das ihn plötzlich so mutig machte?
    Sie plusterte die Schleifen auf. „So einfach ist das nicht. Ich meine, du ... du verstehst mich.
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