Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Klang Deiner Gedanken

Der Klang Deiner Gedanken

Titel: Der Klang Deiner Gedanken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Sundin
Vom Netzwerk:
zuvor gesehen. Verrückt, oder?“ Verrückt war gar kein Ausdruck. Walt steckte der Schock noch in den Knochen. Er hatte permanent dieses schreckliche Bild vor Augen, wie die Kampfflieger direkt auf ihn zurasten. Die Fw 190 und Flossie mussten mit fast sechshundert Meilen pro Stunde aufeinander zugerast sein. Walt skizzierte den Bug einer B-17 in sein Logbuch und zermarterte sich das Gehirn nach einer Lösung.
    Louis setzte das Whiskyglas an seine Lippen, aber es war leer. „Die kennen uns. Die wissen, dass am Bug unsere Schwäche liegt. Unsere Kaliber .30-Gewehre im Bug haben eine viel zu kurze Reichweite. Wir kommen nicht an sie ran.“
    Abe hatte die Hände tief in der Jacke vergraben und schaukelte in seinem Stuhl vor und zurück. „Außerdem sind die Geschütze zu sehr seitlich abgewinkelt. Man kriegt sie einfach nicht auf zwölf Uhr.“
    Walt skizzierte ein Kaliber .50, das direkt vorn aus dem Bug ragte. Aber wie sollte man es befestigen? Direkt darunter war das Bombenvisier.
    „Und so haben sie die Pearl  drangekriegt.“ Cracker zog an seiner Zigarette. „Einfach frontal. Den Bug zerschossen und die Piloten zerlöchert.“
    „Woher wissen Sie das?“, fragte der Nachrichtenoffizier.
    „Das Blut am Cockpitfenster. Glauben Sie, ich bin blind?“
    „Beruhige dich“, sagte Walt. „Du weißt doch, dass sie das genau prüfen müssen. Wegen der nächsten Angehörigen.“
    „Ich sage dir, die sind tot. Wir sind alle tot! Die Jerrys haben es auf uns abgesehen. Das 306. hat sieben Flugzeuge verloren. Sieben! Wir sind alle tot.“
    Der Nachrichtenoffizier machte Crackers Glas voll und Cracker leerte es in einem Zug.
    Walt schüttelte den Kopf und zeichnete Befestigungskrallen, die auf dem Bombenvisier saßen. Whisky war keine Lösung. Schön, Cracker würde sich heute ordentlich zulaufen lassen, aber sobald er wieder nüchtern war, würden der Schmerz und die Angst zurückkommen.
    Die Deutschen schienen es tatsächlich auf das 306. abgesehen zu haben. Ihr Geschwader hatte die höchsten Verluste in der ganzen 8. Luftflotte zu verzeichnen. Zugegeben, sie waren inzwischen die alten Hasen. Die anderen Geschwader waren der 12. Luftflotte in Nordafrika zugewiesen worden, nachdem die Amerikaner dort am 8. November einmarschiert waren. Das 91., 303. und 305. Geschwader mit B-17-Bombern waren neu eingetroffen, dazu das 44. mit der B-24, aber die Jungs aus Thurleigh waren die erklärte Zielscheibe der Deutschen. Heute hatten sie es gerade einmal auf acht Flugzeuge gebracht, von denen vier wegen technischer Probleme hatten abbrechen müssen. Je weniger Flugzeuge, desto leichtere Beute waren sie für Görings Männer.
    „Erzählen Sie mir vom Flakfeuer“, sagte der Nachrichtenoffizier.
    „Dem Flakfeuer?“ Al trommelte mit seinem Schnapsglas einen schnellen Rhythmus auf den Tisch. „Das war Silvester vom Feinsten in St. Nazaire.“
    Die Tür zum Besprechungsraum ging auf. Walt seufzte erleichtert. Frank hatte es doch zurück zum Stützpunkt geschafft. Die My Eileen war mit einem Motor in Segelstellung an der französischen Küste zurückgefallen.
    Franks Crew setzte sich rechts von Walt an einen leeren Tisch. Sie würden von einem anderen Nachrichtenoffizier befragt werden. Walt zählte sechs Männer. Wer fehlte? Petrovich, der Co-Pilot; Willard und Russo vom Bug; Thompson, der Flugingenieur. Verdammt. Waren sie gefallen? Verwundet?
    Franks Züge waren wie versteinert. Die Hände lagen unbeweglich auf seinem Schoß. Er starrte auf den Tisch und das gefüllte Schnapsglas vor ihm.
    Walts Brustkorb verkrampfte. Frank trank nie. Er hatte miterlebt, wie der Alkohol seinen Vater nach dem Ersten Weltkrieg zerstört hatte. Die Sehnsucht nach dem Vergessen hatte ihn verführt und er hatte letztlich nicht nur jegliche Würde und Lebenskraft eingebüßt, sondern seiner Familie auch einen trunksüchtigen Ehemann und Vater beschert.
    Frank tastete nach dem Glas.
    „Frank“, sagte Walt.
    Der Geräuschpegel im Raum war zu hoch, als dass er ihn hätte hören können, aber Frank sah ihn trotzdem an. Der Ausdruck in seinen Augen versetzte Walt einen Schlag in die Magengrube – er war leer, verstört, verzweifelt.
    Langsam schüttelte Walt den Kopf.
    Frank verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Er stieß das Glas von sich und die bernsteinfarbige Flüssigkeit schwappte auf den Tisch.
    Cracker hatte recht. Sie waren alle tot. Mit sieben abgeschossenen Flugzeugen in weniger als zwei Monaten und keinem Kriegsende in Sicht war es keine

Weitere Kostenlose Bücher