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Der Klang der Sehnsucht - Roman

Der Klang der Sehnsucht - Roman

Titel: Der Klang der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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ihr übers Gesicht, derweil die Sonne höher und höher stieg. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass auch andere Frauen, die zum Brunnen kamen, ihre Krüge fallen ließen und zu tanzen begannen.
    Ihre gläsernen Armreifen waren zerbrochen, und ihr Haar hatte sich gelöst. Kleine Blutstropfen zeigten sich an ihren Handgelenken und auch an ihren Füßen, denn sie war in die Scherben getreten.
    Ihr Herz schlug im Rhythmus der Trommel, bis alles andere seine Bedeutung verlor.
    Von Ferne spürte sie eine Hand, die ihre ergriff und sie fortziehen wollte, fort aus ihrem Tanz. Jemand schrie die Musikanten mit tiefer, wütender Stimme an. Aber sie waren mehr als nur Musikanten. Wer außer Krishna selbst könnte süße Klänge wie diese hervorbringen?
    So plötzlich wie sie begonnen hatte, brach die Musik ab. Sie fiel zu Boden, doch ein Mann zerrte sie auf die Füße. Die warmen, kräftigen Arme und der süße, würzige Duft ihres Mannes umschlossen sie. Als sie mühsam zu sich kam, fiel ihr Blick auf den Trommler. Man hatte ihn mit einem Schwert an seine Trommel genagelt und ihn und sein Instrument für immer zum Schweigen gebracht.
    *
    »Ich warne dich, Baba. Zu Hause Flöte zu spielen ist etwas ganz anderes, als den Ras Garba an Navratri zu begleiten.« Ashwin löffelte sich eine Mischung aus Spinat und Dhal in die Hand
und ließ den Ball in heißes Öl fallen. Es zischte, und die Küche füllte sich mit dem würzigen Aroma von Pakora.
    »Erstaunlich, dass der Guruji dir erlaubt, in Hastinapore zu spielen. Die ganzen Mädchen zu Navratri … die lenken dich doch viel zu sehr ab, mein edler Knabe. Es war schon schwer, als ich vierzehn oder fünfzehn war, und ich spiele nicht mal ein Instrument.«
    Kalu stand neben Ashwin und wendete die Pakora, damit sie von allen Seiten gleichmäßig goldbraun wurden. Er liebte es, Ashwin in der Küche zu helfen. Ashwins Geplauder, der Duft von Gelbwurz und der beißende Geruch der Chili taten ihm gut.
    »Der Guruji hat auch nein gesagt, als Ganga Ba ihn das erste Mal gefragt hat. Du weißt schon, er verzieht dann so säuerlich den Mund. Aber gegen Ganga Ba ist man machtlos. Am Ende hat er es erlaubt und so getan, als wäre alles seine Idee gewesen.«
    Kalu nahm eins von den etwas abgekühlten Pakora und steckte es sich in den Mund. Es war genau richtig: außen knusprig und innen saftig.
    »He, Ram«, fuhr Ashwin fort. »Du musst dich in Acht nehmen. Die Mädchen werden sich auf dich stürzen wie auf einen Filmstar, wenn du nicht aufpasst. Und«, er piekte Kalu mit dem Zeigerfinger in den Bauch, »wenn du weiter so viel isst, wirst du zu dick, um davonzulaufen.«
    Kalu grinste mit vollem Mund. Er schluckte, bevor er antwortete. »Wer sagt, dass ich davonlaufen will?«
    »Ihr Musiker seid doch alle gleich. Ich weiß nicht, was es ist, ihr spielt ein kleines Lied, und die Frauen sind wie dieser Teig in euren Händen. Aber hüte dich, manchmal geht der Schuss auch nach hinten los. Du weißt ja, was in Amiraveli geschehen ist, oder?«
    »Die Musikanten wurden mit Reichtümern überschüttet?« Kalu duckte sich, als Ashwin ihm eine Kopfnuss verpassen wollte. Ein Klümpchen Teig landete in seinem Gesicht.
    »Nein, Bruder, einer von ihnen wurde getötet! Der Mann einer der Frauen hat den Trommler erstochen – ihm ein Schwert durch die Trommel ins Herz gerammt.«
    »Ich glaube nicht, dass meine Freunde in Hastinapore die Absicht haben, mich zu ermorden.«
    »Pass einfach ein bisschen auf – Musik macht die Menschen mitunter verrückt. Und hör bitte auf zu essen, sonst stehe ich noch den ganzen Tag hier.«
    *
    Malti kam vom Markt und steuerte direkt auf die Küchentür zu. Sie kippte die Erbsen, Bittergurken, Bohnen und grünen Chilis aus der Stofftasche und begann, sie zu sortieren. Erstaunlich, dass man eine Tasche voll grüner Gemüse haben konnte und doch so viele unterschiedliche Farben. Sie legte die Bittergurke auf die rechte Seite und trennte die Bohnen und Erbsen vom Koriander und den Chilis.
    »Aré, Malti! Warum sagst du mir nicht, dass du zurück bist?« Ganga Ba kam in die Küche und stützte sich schwer auf die Theke. Sie deutete mit der Hand auf den Tonkrug, in dem das Wasser war. Malti füllte ein Glas für sie, derweil Ganga Ba fortfuhr: »Bring es mir ins andere Zimmer. Ich habe Neuigkeiten für dich. Shami Ben, die Freundin deiner Mutter, hat mir gerade eine Nachricht geschickt.«
    Malti folgte Ganga Ba ins Wohnzimmer und reichte ihr das Glas auf einem Tablett. Sie wartete,

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