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Der Klang der Sehnsucht - Roman

Der Klang der Sehnsucht - Roman

Titel: Der Klang der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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nichts, als Nishal davonhinkte. Es gab nichts zu sagen.
    *
    »He, Ram, du musst besser auf dich aufpassen, Kind. Ich weiß nicht, was der Guruji dazu sagen wird. Jetzt halt still und rede nicht, bis ich die Wunde gesäubert habe.«
    »Was soll ich wozu sagen?«, fragte der Guruji und hielt inne, als er Kalu und die zerbrochene Flöte in seiner Hand sah.
    »Er ist gestürzt«, sagte Ashwin, bevor Kalu etwas sagen konnte.
    »Ich kann den Unterschied zwischen einem Sturz und einer Prügelei sehr wohl erkennen, Ashwin«, sagte der ältere Mann. 
    Kalu blickte auf. Seine Wut war ihm noch immer anzusehen. »Ich hatte keine Wahl – was der gesagt …«
    »Wir haben immer die Wahl, Kalu. Ich will nicht mit dir schimpfen. Das überlasse ich Ashwin. Du bist alt genug, um die Konsequenzen deiner Entscheidung zu erkennen. Die guten und die schlechten.«
    »Wollen Sie damit sagen, ich hätte mich nicht wehren sollen? Er hat mich beleidigt …« Kalu unterbrach sich. Er wollte Nishals schmutzige Reden nicht wiederholen.
    »Mitunter findet man es richtig zu kämpfen. Und niemand außer dir kann diese Entscheidung treffen. Mein Sohn, ich sage dir, das, was wir im Zorn tun, zeigt häufig nicht das Ergebnis, das wir uns erhoffen. Nicht alle werden dich in deinem Leben mögen, Kalu, oder dich gerecht behandeln. Und ein Streit kann nicht immer mit Worten gewonnen werden. Als du auf der Straße gelebt hast, hättest du da dein Ego oder deinen Stolz für eine Flöte eingetauscht? Hat es dich gekümmert, was andere über dich oder deine Freunde dachten?«
    »Nein«, sagte Kalu und seufzte. »Aber … nein.« Er wischte sich eine Träne ab.
    »Genug jetzt.« Ashwin umarmte den Jungen, ohne auf sein Stöhnen zu achten. »So, wir sind fertig.«
    *
    »Ich werde nicht zulassen, dass ihr mein Haus zu einem Konzertsaal macht«, sagte der Guruji.
    »Aber Guruji …«
    Ashwin lächelte. Er wusste, dass Kalu, wenn er diesen Ton anschlug, in der Regel bekam, was er wollte.
    »Aber Guruji, sie hören doch sowieso immer zu«, fügte Kalu hinzu.
    Der Meister hob abrupt den Kopf. »Was soll das heißen?«
    »Wenn wir abends spielen, sitzen sie oft vor dem Tor und hören zu. Ich dachte nur, hier auf dem Rasen hätten sie es bequemer.« Seine Augen waren groß und bittend.
    Ashwin bemühte sich, nicht zu lachen. »Das ist wirklich keine schlechte Idee«, sagte er. »Ich habe es satt, sie dauernd zu verscheuchen. Erstaunlich, dass Sie das Trara letztes Mal nicht gehört haben.«
    Kalu sprach mit sanfter Stimme und berührte den Guruji leicht am Arm. »Wir gehören dann auch mehr zur Gemeinschaft. Ich möchte nicht, dass sie denken, wir hielten uns für etwas Besseres.«
    Der Guruji warf Kalu einen durchdringenden Blick zu. »Glaubst du wirklich, das kümmert mich?«
    Kalu sah zu Boden. »Nein, Guruji, aber ich …« Kalu stockte. Er wusste nicht, wie er es erklären sollte. Zwar waren die blauen Flecken verblasst, doch der Streit mit Nishal lag ihm noch immer auf der Seele.
    »Wir sind nichts Besseres. Das sieht jeder, der Augen im Kopf hat«, sagte Ashwin. »Außerdem gefällt ihnen die Musik. Ich glaube nicht, dass Sie ein Konzert veranstalten sollten. Noch nicht. Ich finde, Kalu sollte weiter Unterricht bekommen. Und die Leutchen können zuhören, wenn sie wollen. Lata, Biddu und Tulsi kommen ja schon, auch wenn Biddu eher schnarcht, statt zuzuhören.«
    Jetzt musste Kalu das Lachen unterdrücken.
    Der Guruji sah von einem zum anderen. »Ich bin froh, dass du so genau weißt, was das Richtige für meinen Schüler ist, Ashwin. Vielleicht möchtest du den Unterricht übernehmen, und ich koche?« Der Guruji ließ seinen Tee stehen und stolzier
te aus dem Zimmer. Die Haare sträubten sich ihm wie einem Vogel das Gefieder.
    Kalu sah Ashwin an. »Hieß das jetzt ja oder nein?«
    »Nein hat er nicht gesagt, und er ist ein furchtbarer Koch.« Ashwin begann den Tisch abzuräumen. »Sag den Leuten im Dorf, ich lasse von jetzt an das Tor offen.«
    *
    Amiraveli.
    Singend ging sie, den leeren Plastikkrug lose im Arm, zum Brunnen.
     
    Pani gyata re beni ame talavdi
    Um Wasser zu holen, gingen wir zum See
     
    Andere Frauen schlossen sich ihr an. Sie liebte diese Zeit am Morgen, wenn die Sonne noch tief stand und der Tag voller Verheißungen war. Selbst die Felder wirkten grün und üppig. In ein paar Stunden würde sie sich so staubig und welk fühlen, wie die Pflanzen aussahen. Aber der Morgen war herrlich. In diesem Moment passte der Schwung des Liedes zum

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