Der Klang der Sehnsucht - Roman
schwärzeren Haar angeschmachtet hast.«
»Mit niemandem.« Bals Ohren glühten. Er brauchte ziemlich lange, um sich aus Tabak und einem weißen Blättchen Papier eine Zigarette zu drehen. Endlich zündete er sie an. »Und was ist mit dir, Yar? Dir laufen die Mädchen doch in Scharen nach. Kalu! Kalu! «, flötete Bal, stemmte eine Hand in die Hüfte und klimperte mit den Augenlidern. »Sie zwitschern wie Vögelchen, wenn sie dich umschwärmen.«
»Ein paar krächzen auch wie die Krähen. Die mag ich nicht besonders.«
»Es sind auch eher die anderen, vor denen du dich in Acht nehmen solltest.«
*
»Ist sie nicht wunderschön?« Raja blickte hinüber zu seiner Braut, die sich auf den Weg zum Brunnen machte. Eigentlich hatte Malti Wasser holen wollen, aber Anju hatte ihr den Krug aus der Hand genommen.
»Du möchtest sicher ein bisschen mit deinem Bruder reden. Du musst ja schon so bald wieder fort.«
Ohne auf Rajas Widerspruch zu achten, ließ Anju Bruder und Schwester allein. Rajas Gesicht schien in den letzten Tagen gereift. Seine junge Frau hatte ihn schon durch ihre Anwesenheit verändert.
Anju war schüchtern, wie die meisten Bräute. Doch spürte Mal
ti die sanfte Stärke des Mädchens und, was besonders wichtig war, ihren aufrichtigen Wunsch, Raja und die Familie zufriedenzustellen. Es dauert eine Weile, bis man sich an ein neues Zuhause gewöhnt, aber Anju schien bereits mehr Teil der Familie als Malti. Ihre Mutter hatte recht. Bräute gehörten zu ihren Schwiegereltern.
Ihre eigenen Schwiegereltern Vimu Ba und Papaji behandelten Malti gut. Vimu Bas Strenge hatte in den Jahren seit ihrer Hochzeit sehr nachgelassen. Sie hatte sich an Malti gewöhnt. Sie war es auch, die darauf bestanden hatte, dass die Familie zu Rajas Hochzeit fuhr, obwohl Maltis Mann dagegen war. Er habe zu viel zu tun, sagte er.
»Du musst fahren, Beta«, sagte Vimu Ba. »Wie sieht das denn sonst aus?«
»Viel schlimmer wäre es, wenn ich meine Stelle verlöre. Willst du das? Habe ich nicht schon genug Zugeständnisse gemacht?«, widersprach Maltis Mann.
Vimu Ba zwang ihn, wenigstens einen Tag zu opfern. Sie und Papaji verwöhnten ihren Sohn maßlos, und als Malti an der warmen Lehmmauer saß, fragte sie sich, warum zwei so gütige Menschen die Herzenskälte ihres Sohnes nicht erkannten.
Einerseits wollte Malti, dass ihr Mann an Rajas Hochzeit teilnahm, andererseits auch wieder nicht. Sie wusste, dass ihre Eltern sich freuen würden, ihn zu sehen, und gern ein bisschen mit ihrer verheirateten Tochter angaben. Aber gleichzeitig fürchtete sie, dass er sich nach seiner Rückkehr mit seinen Freunden über das Erlebte mokieren würde. Er war seit der Hochzeit nicht in ihrem Dorf gewesen. Es reichte schon, dass er über sie lachte und sie behandelte, wie er es tat. Inzwischen schimpfte er sie sogar frigide und unfruchtbar, wenn seine Eltern es nicht hörten. Sie könnte es nicht ertragen, wenn er sich grob gegenüber ihren Eltern verhalten oder ihr Dorf verspotten würde.
Vimu Ba erlaubte Malti sogar, schon vorzufahren und anschlie
ßend länger zu bleiben. »Deine Mutter kann, weiß Gott, jede Hilfe gebrauchen, auch wenn die Brauteltern das meiste übernehmen. Und wie würde es aussehen, wenn wir alle nur so kurz bleiben würden?«
Malti stieß ihren Bruder an. »Und, bist du glücklich?« Sie kannte die Antwort, wollte aber gern sehen, wie er strahlte.
»So hatte ich es mir nicht vorgestellt. Überhaupt nicht. Ich will einfach auf sie aufpassen. Sie ist so zierlich und klein.« Er rieb sich das Ohr. »Und wage ja nicht, ihr zu erzählen, was ich gesagt habe. Oder irgendjemand anderem.«
»Nein, Sir. Ich kann doch nicht zulassen, dass jemand erfährt, wie butterweich mein Bruder geworden ist.«
»Und bring ihr keine schmutzigen Tricks bei!« Raja bohrte seiner Schwester den Finger in die Taille. »Sie soll zu mir aufschauen und nicht über mich lachen.«
»Sie ist schüchtern, aber nicht verrückt!« Malti verstummte plötzlich. Sie erinnerte Raja jetzt sehr an das ernste kleine Mädchen, das er immer zum Lachen gebracht hatte. »Sei gut zu ihr, Bhai«, fügte sie endlich hinzu.
»Das habe ich vor. Ich hätte nie gedacht, dass ich solches Glück haben würde. Die Eltern haben gut gewählt.«
»Ja, das haben sie«, erwiderte Malti. »Nur schade, dass sie jetzt bei dir wohnen muss!« Sie sprang auf, bevor er das Gespräch auf ihre eigene Ehe bringen würde.
*
»Ma, ich würde gern –«
»Ja, wir wissen, was du gern
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