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Der Klang der Sehnsucht - Roman

Der Klang der Sehnsucht - Roman

Titel: Der Klang der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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würdest, Raja, aber geh jetzt!« Seine Mutter verdrehte die Augen und wies mit dem Löffel zur Tür.
    Anju errötete.
    »Keine Sorge, er ist nicht immer so anhänglich. Sein Vater war genauso, als wir jung verheiratet waren.«
    Die Frauen lachten. Malti nahm einen Krug und verließ die
Küche, um Wasser zu holen. Ihr war eher nach Weinen als nach Lachen zumute.
    Als sie klein war, hatte Raja sie immer mitgenommen, und sie durfte zuschauen, wie die Jungen Kricket spielten. Sie hatten einen gelben Plastikball, den sie hüteten wie einen Schatz. Als Torstäbe steckten sie ein paar Stöcke in die Erde. Damals wollte Raja sein wie Viv Richards und schwärmte mindestens ebenso sehr für das westindische Kricket-Team wie Malti für ihn. Seine Mannschaft spielte immer gegen »Indien«. Auf diese Weise konnte er sich freuen, ganz gleich, wer gewann. Die Kinder spielten am Rande des Dorfes, wo es noch keine Felder gab.
    Malti saß auf der Erde und ließ ihren Bruder nicht aus den Augen. Traf der Ball den Baum am anderen Ende des Spielfelds, schrien die Jungen »Sechs!«, während sich ganze Schwärme von Vögeln zeternd aus den Ästen erhoben.
    Das Spiel endete erst bei Sonnenuntergang, wenn der gelbe Kricketball kaum noch zu sehen war. Malti sehnte sich nach dieser Zeit zurück, obwohl sie wusste, dass es nie mehr so sein würde. Und morgen musste sie nach Hastinapore zurück.
    Sie dachte daran, wie Raja seine Frau anschaute, wie seine Augen ihr folgten, selbst wenn er mit jemandem sprach. Inzwischen fragte sich Malti, ob ihr Mann sie jemals auf diese Weise ansah. Ob er sie überhaupt ansah.
    An warmen, milden Abenden bekam er häufig Besuch von seinen beiden besten Freunden aus dem College. Der eine arbeitete nun in einer Fabrik, der andere war Regierungsbeamter wie ihr Mann. Alle drei waren stolz auf ihren Beruf, sprachen häufig mit Papaji über ihre Verantwortung und ihre Möglichkeiten, bevor sie aufs Dach hinaufgingen.
    Als sie das erste Mal kamen, hatte Vimu Ba die junge Braut mit Getränken und Bhajiya, dünnen, ausgebackenen Kartoffelscheiben, zu ihnen hinaufgeschickt. Als Malti die Stufen hinaufging, rief sie sich erneut den Rat ihrer Mutter ins Gedächtnis. »Sei
brav, gehorche deiner neuen Familie, geh deiner Schwiegermutter zur Hand und kümmere dich um deinen Mann.«
    »Ja?«, fragte er, als Malti in der Tür stand. »Was gibt's?« Als wäre sie eine Dienstbotin. Obwohl Ganga Ba ihre Dienstboten mit mehr Achtung behandelte.
    Malti senkte die Lider, damit er nicht sah, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten. Sie stellte den Imbiss und die Getränke auf den Tisch. Gelächter folgte ihr die Treppe hinunter.
    Malti machte kehrt und setzte sich auf die Treppe, um ihre Fassung zurückzugewinnen, bevor sie wieder in die Küche ging. Dort oben hatte sie das folgende Gespräch mit angehört.
    »Warum haben sie sie ausgesucht? Redet sie auch manchmal mit dir?«
    »Sie braucht nicht zu reden. Es reicht, dass sie hübsch ist.«
    »Es gibt auch nichts zu reden. Malti tut, was man ihr sagt. Meine Eltern haben sie ausgewählt, und sie können sie behalten«, hatte ihr Mann geantwortet.
    Sie hatte geglaubt, mit der Zeit würde sich etwas ändern. Aber so war es nicht. Die Beziehung, in der sie feststeckten, hatte nichts mit Liebe zu tun. Nicht einmal etwas mit Respekt. Wie sollte sie jemanden lieben lernen, der sich weigerte, sie anzusehen? Sie überhaupt zu sehen.
    Malti wusste, dass ihr Mann lieber eine andere Frau geheiratet hätte. Vielleicht eine, mit der er besser reden konnte. Die ähnliche Erfahrungen hatte wie er. Die mit seinen Freunden sprechen konnte. Die lieben konnte, wie er lieben wollte. Kein einfaches, ungebildetes Mädchen wie sie.
    Malti fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. Es lohnte sich nicht, darüber zu weinen.
    *
    Raja und ihr Vater brachten Malti an die Bushaltestelle.
    »Na, Schwester, wann werde ich denn Onkel? Ich möchte rechtzeitig gewarnt werden.« Raja fuhr ihr durchs Haar.
    »Du kannst Onkel werden, sobald ich Tante werde.«
    »Beeilt euch lieber damit«, brummte ihr Vater. »Wenn ihr wollt, dass ich meine Enkelkinder noch zu Gesicht bekomme.« Diese Worte überraschten Malti. So alt war ihr Vater doch noch gar nicht. War er krank?
    »Er macht nur Spaß. Vater, du weißt, wie ernst Malti alles nimmt. Du darfst ihr keine Angst machen.« Maltis Vater nahm ihre Hand und drückte sie sanft, während er sie auf den Bus zuschob. »Pass gut auf dich auf, Kind.«
    Malti blickte durch das

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