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Der Klang der Sehnsucht - Roman

Der Klang der Sehnsucht - Roman

Titel: Der Klang der Sehnsucht - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Insel Verlag
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bereit, dir eine erste Kostprobe von der Welt zu genehmigen. Du musst mal raus und brauchst Übung, Junge. Der Westen eignet sich gut für den Anfang. Dort sind die
Menschen, genau wie du, gerade erst dabei, ein Ohr für unsere Musik zu entwickeln. Ich finde, du solltest einmal ausprobieren, wie es ist, in einem Saal aufzutreten. Gebrauche deine Augen und Ohren ebenso wie deine Hände. Hör auf Martin und …«, die Miene des Guruji wurde milder, und er legte seine Hände auf Kalus, »spiele aus ganzem Herzen und ganzer Seele. Vergiss nicht, dass es zwei Arten von Musik gibt, eine, die für die Öffentlichkeit bestimmt ist und der Unterhaltung dient, und eine andere, persönliche, für den Geist. Beide musst du üben. Man sollte vor Zuhörern spielen können, für sich selbst und für Gott.«
    Noch immer wusste Kalu nicht genau, ob das Gefühl in seinem Magen Aufregung war oder Angst. Natürlich musste er seinen Roller hierlassen. Er beschloss, Bal zu fragen, ob er sich darum kümmern wollte, solange er unterwegs war.
    Er hatte eine Weile gebraucht, um über Bals Zurückweisung hinwegzukommen. Der Guruji hatte ihm jedoch geholfen. Er solle nicht nur an sich selbst denken, sondern überlegen, was Bal brauchte und warum er abgelehnt hatte. Später hatte der Vaid eine Lösung gefunden, mit der Bal schließlich einverstanden war. Es nagte noch immer an Kalu, dass der Vaid und der Guruji gewusst hatten, was besser für Bal war, aber ihm war auch klar, dass Bal seinen eignen Platz finden musste. Inzwischen war Bal zwar noch in Hastinapore, hatte aber eine bezahlte Arbeit und ein kleines Zimmer, in dem gerade genug Platz für eine Matratze und einen Gaskocher war. Kalu verstand, welchen Wert dies für Bal darstellte. Er fragte sich, ob er sich jemals auf diese Weise irgendwo heimisch fühlen würde. Sein Leben gefiel ihm, aber das Haus, in dem er lebte, gehörte dem Guruji, und er war noch immer sein Schüler.
    Kalu zuckte die Achseln und schüttelte die negativen Gedanken ab, um sich vorzustellen, wie sehr Bal sich freuen würde, wenn er den Roller benutzen durfte. Aber wie er den Freund kannte, würde der vielleicht gar nicht damit fahren, sondern
ihn aus Sicherheitsgründen in seinem Zimmer einschließen und vor der Tür schlafen!
    *
    Bal legte den Arm um Kalus Schulter. »Ich muss dir und dem Vaidji danken, dass ihr mir diese Arbeit besorgt habt. Es ist so schön, eine richtige, bezahlte Arbeit zu haben. Es ist ziemlich heiß auf dem Feld, und ich habe nicht mehr so viel Zeit, im Schatten oder am Fluss zu sitzen. Aber es tut gut, mit anderen zusammen zu sein. Euch verdanke ich es, dass ich endlich frei bin. Wenn ihr mich nicht ausgelöst und Arbeit für mich gefunden hättet … dann hätte ich überhaupt nichts.«
    »Wie ist es mit Mädchen?« Kalu musterte Bal von der Seite, um seine Reaktion zu sehen.
    »Mir gefällt es einfach, mit anderen zusammen zu sein.«
    Bal war seit ihrer letzten Begegnung in die Höhe geschossen und viel selbstbewusster geworden. Die fünf Monate, die er auf dem Feld gearbeitet hatte, hatten ihm Energie und Vitalität verliehen und seinen Körper gekräftigt. Er war nun fast ein Mann, der nichts und niemanden fürchtete. »Durch dich, Kalu, habe ich eine Menge gelernt. Bald weiß ich genug, um …«
    »Um was?« Kalu hörte Bal zum ersten Mal über seine Träume sprechen.
    »Ja, also …« Bal senkte den Kopf und rieb sich die Wange. Er sprach schnell, stockte nur, wenn ihm der Atem ausging. »Um vielleicht eines Tages einen eigenen Hof zu haben. Natürlich kann das noch ewig dauern, vielleicht, wenn ich alt bin, und wenn das Land billig genug ist …«
    »Du wirst es schaffen, ich weiß es.«
    »Aber ich nicht. Und Kalu – ich will keine Hilfe.«
    Kalu schaute beleidigt. »Ich habe doch gar nichts gesagt.«
    »Nein, aber ich kenne dich. Du bist mein bester Freund. Mehr als ein Freund. Du bist mein Bruder. Ohne dich wäre ich weniger als nichts.« Er hob die Hand, als Kalu sich anschickte, etwas
zu sagen. »Zu arbeiten, bezahlt zu werden, Teil einer Gemeinschaft zu sein. Geachtet zu werden. Das erlebe ich nur, weil du Zutrauen zu mir hattest. Aber ich muss auch selbst etwas tun. Damit ich weiß, dass ich es kann. Es muss nichts Großartiges sein. Ich kann warten. Ich habe alle Zeit der Welt, um den besten Platz für mich zu finden.«
    »Und mit wem wirst du diesen besten Platz teilen? Ich habe gesehen, wie du beim Tanz die hübsche Kleine mit der schwarzen Tunika und dem noch

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