Der Klang des Herzens
begriff, dass es ihm, wirklich ihm, gehörte! Isabel wären fast die Tränen gekommen. Und sie hatte so gehofft, dass er jetzt etwas sagen würde. Freu dich, hatte sie gebetet, freu dich doch, schrei, juble, wie Jungen es tun, aber er hatte sie lediglich stürmisch umarmt. Voller Angst, ihre Enttäuschung nicht zu deutlich zu zeigen, hatte sie die Umarmung erwidert.
»Der Hund muss trainiert werden«, hatte Byron in Thierrys Anwesenheit bemerkt. »Der Junge kann bald damit anfangen.« Isabel betete, dass der kleine Hund ihrem Sohn die Sprache wiederschenken würde.
An diesem Morgen hatte Byron ihr beigebracht, wie man Feuerholz hackt. Offenbar hatte sie es die ganze Zeit falsch gemacht. Und die Axt sei ganz stumpf, meinte er. Das Scheit aufstellen und mit der Axt versuchen, es in der Mitte durchzuhacken, war viel zu gefährlich, Splitter konnten umherfliegen, und man konnte blind werden. Nein, man musste das Holz spalten, nicht zerhacken. Er zeigte ihr, wie man die Axt aus dem Holz befreite, indem man mit einem Holzhammer auf den Rücken der Schneide haute. Das Scheit war fast lächerlich leicht auseinandergefallen, als Byron mit seinen starken Armen zuschlug.
»Außerdem ist es gut für Sie«, fügte er grinsend hinzu, »man bekommt einen klaren Kopf davon. Die reinste Therapie.«
»Solange ich mir nicht die Füße dabei abhacke.«
Isabels eigene Hände waren im Laufe der Zeit rau und rissig geworden und hatten von den Kämpfen mit Stachelbeeren und Himbeeren zahlreiche Kratzer davongetragen. Sie hatte sich beim Abhäuten von Kaninchen mehrmals geschnitten, und ihre Handflächen waren ganz schwielig vom Streichen der Zimmer – derjenigen, die nicht mit Plastikplanen verhüllt waren. Sie war fest entschlossen, ein wenig Farbe in diesen
düsteren Kasten zu bringen, selbst wenn Laura McCarthy und ihresgleichen ihre Bemühungen wahrscheinlich primitiv gefunden hätten – der schlampige Anstrich, die billigen Farben, die grüngelben Ranken, die sich wie Efeu durchs Treppenhaus zogen. Aber das war ihr egal – alles, was sie tat, trug dazu bei, aus dem Haus ein Zuhause zu machen und nicht einen Ort, an dem sie, Kitty und Thierry irgendwie gestrandet waren.
Aber erst nach Kittys Bemerkung konnte sie sich eingestehen, dass etwas an diesem Haus seltsam war. »Ich mag das Spanische Haus«, hatte ihre Tochter eines Abends gesagt, »viel mehr als am Anfang. Aber irgendwie will es sich einfach nicht wie unser Haus anfühlen, findest du nicht?«
Isabel hatte beruhigende Kommentare gemacht: Sie solle doch abwarten, bis alles fertig sei, wenn sie erst mal ein schönes Bad hätten und neue Fenster. Aber Kitty hatte recht.
Liegt es an dir?, fragte sie Laurent im Stillen. Können wir uns vielleicht deshalb hier nicht richtig heimisch fühlen, weil du uns fehlst?
Matt ging sie aus dem Weg – so weit so etwas möglich ist, wenn einer tagein, tagaus im Hause ein und aus geht. Manchmal war es leicht, wenn sie beispielsweise Geigenunterricht erteilte – wovor ihr nach wie vor grauste. Ansonsten hatte sie alle möglichen Strategien entwickelt, um sich ihn vom Leib zu halten: Wenn sie den Männern Tee brachte, hielt sie sich an Byron oder an die anderen Jungs, wenn sie irgendwo im Haus oder im Garten zu tun hatte, bat sie meistens die Kinder, ihr zu helfen. Unterhaltungen führte sie nur dann mit ihm, wenn sein Sohn anwesend war. Matt spielte wohl oder übel mit, war nun aber bedeutend weniger fröhlich und gesprächig als früher. Sie redete sich ein, dass ihm diese Distanz ja nur recht sein konnte.
Auch schien er sich nicht mehr sehr gut mit seinem Sohn zu verstehen. Sie redeten kaum mehr miteinander, und Anthony
zeigte ihm gegenüber offen seine Verachtung. Wäre Anthony auch zu ihr unfreundlich gewesen, hätte sie vermutet, dass er das mit ihr und seinem Vater rausgefunden hatte, aber das war nicht der Fall. Gelegentlich glaubte sie Matts Blicke fast bohrend im Rücken zu spüren, aber es gelang ihr, dies zu verdrängen.
Als er sie schließlich doch allein erwischte, stand sie gerade im Gemüsegarten. Es war später Nachmittag, und Kitty und Thierry waren mit dem Hund im Wald. Sie hatte beschlossen, zum Abendessen ein paar rosa Tannenzapfen auszugraben, eine alte, rosafleischige Kartoffelsorte. Da sie befürchtete, sie zu beschädigen, wenn sie sie mit dem Spaten ausgrub, machte sie es mit den bloßen Händen, wobei sie auf einem alten Sack kniete, den sie am Beetrand ausgebreitet hatte. Neben ihr stand ein Zinkeimer, in
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