Der Klang des Herzens
egal, weil es niemanden gab, mit dem er hätte reden wollen. Matt starrte zum Haus hinüber. Er sah weder das Gerüst auf der Rückseite noch die sich auftürmenden Schutthaufen noch das mit einer Plane abgedeckte Fenster.
Er sah nur sein Haus.
Das Große Haus im alten, wiedererwachten Glanz. Und da war er selbst, wie er über den Rasen zum See schlenderte. Er konnte sich noch erinnern, wie er als Junge an genau derselben Stelle gesessen hatte, auf seinem Fahrrad, und Rache schwor. Sie hatten seinen Vater beschuldigt, zwei Ersatzreifen, die zu den prächtigen Oldtimern der Familie gehörten, gestohlen zu haben. Als die Reifen hinterher irgendwo in der Garage wieder aufgetaucht waren, hatten sie sich offenbar zu sehr geschämt, um ihren Irrtum zuzugeben – oder es war ihnen schlichtweg egal gewesen. Obwohl George McCarthy fünfzehn Jahre lang ohne Fehl und Tadel für die Familie gearbeitet hatte. Doch da war es bereits zu spät gewesen: Matt und seine Schwester hatten aus dem Chauffeurhäuschen ausziehen
und in eine Sozialwohnung in Little Barton übersiedeln müssen. Und der gute Name der Familie war aufgrund der Nachlässigkeit der Pottisworths in den Schmutz gezogen worden. Er hatte sich damals schon geschworen, dass das Haus eines Tages ihm gehören würde. Den Pottisworths sollte das hochmütige Grinsen vergehen. Auch Lauras Familie wollte er es zeigen. Wie sie ihn angeschaut hatten – seine Schuhe, die Art, wie er Messer und Gabel hielt – mit höflicher Verachtung.
Er würde das Haus für die McCarthys in Besitz nehmen. Er würde allen hier beweisen, dass unwichtig war, wo man herkam, sondern nur das zählte, was man erreichte. Er würde nicht nur das Haus instand setzen, sondern auch den guten Ruf seiner Familie.
Es hätte eigentlich ganz einfach sein sollen, die Witwe, den Eindringling, zu vertreiben. Doch dann, in einer stürmischen Frühsommernacht, war aus der Witwe Isabel geworden, die warme, atmende, pulsierende Isabel, die seinen Kopf mit Musik anfüllte und sein bisheriges Leben grau, öde und schal erscheinen ließ. Isabel, die wie eine Elfe durch den Wald schwebte, die ihre Hüften im Takt der Musik wiegte, die ihn mit schmalen, trotzigen Augen angefunkelt, die ihm klargemacht hatte, was er wollte, was ihm die ganze Zeit gefehlt hatte, während er nur an Handwerkerkönnen und Quadratmeterzahlen dachte. Die einzige Frau, die jemals eine Herausforderung für ihn dargestellt hatte. Das Haus wollte er natürlich noch immer-o ja, er wusste, dass es ihm gehören musste. Aber das allein genügte nicht mehr.
Matt McCarthy schloss kurz die Augen und öffnete sie dann wieder, um das Rauschen in seinem Kopf zu verscheuchen. Er fummelte am CD-Player herum, bis Händels Wassermusik aus dem Armaturenbrett kam. Er drehte die Lautstärke hoch. Dann, als die beruhigende Streichmusik ertönte, nahm er sein kleines Notizbuch aus dem Handschuhfach und begann, methodisch alles aufzulisten, was noch am Haus zu tun
war, von der Versiegelung der Rohre bis hin zum letzten Fenster. Er hatte alles im Kopf, wie viele Nägel, wie viel Putz er noch brauchte. Keiner kannte das Haus besser als er. So saß er und kritzelte hektisch, ohne auf die beschriebenen Blätter zu achten, die in den Fußraum hinabflatterten, während hinter dem Spanischen Haus die Sonne unterging.
Isabel tat drei Tage und zwei Nächte kein Auge zu. Sie wälzte sich herum, durchlitt Tausende stummer Konfrontationen mit ihrem toten Mann. Sie verwünschte ihn für seine Untreue, machte sich Vorwürfe, ihn so oft alleingelassen zu haben, dass er glaubte, sich eine andere suchen zu müssen. Sie ließ Familienereignisse an sich vorbeiziehen, Ferienaufenthalte, ihre häufige berufliche Abwesenheit und setzte nun diese Frau in das ein, was sie als ihre gemeinsamen Erinnerungen betrachtet hatte. Seine exzessiven Geldausgaben, die häufigen Geschäftsreisen im letzten Jahr, all das ergab nun einen Sinn, und alles zusammen ergab ein sehr hässliches Bild. Jetzt gehörte ihr nichts mehr, nichts mehr gehörte ausschließlich ihnen. Seine Affäre korrumpierte alles. Und sie hasste sich dafür, dass sie zu sehr mit sich selbst beschäftigt gewesen war, um zu merken, was los war, zu bequem, um mal einen Blick auf Kontoauszüge zu werfen oder Kreditkartenabrechnungen.
Sie hatte ihren Ehering um Mitternacht in den See geschleudert, und als sie kein Aufklatschen hörte, hatte sie nicht gewusst, ob sie lachen oder weinen sollte. Die meisten Tränen aber vergoss sie
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