Der Klang des Herzens
hat Sie nicht angerufen?«
»Wer ist Byron?«, fragte Nicholas verwirrt. »Mein Name ist Nicholas Trent. Ich bin Bauunternehmer.«
Isabel Delancey starrte ihn an. »Bauunternehmer? Sie sind hier, weil Sie Interesse an diesem Haus haben?«
In diesem Moment fiel der Groschen.
»Mein Gott! Sie alle wollen dieses Haus.«
Beide Hände vor den Mund geschlagen wich sie zurück. »Die ganze Zeit …«, stieß sie, fast lachend, hervor. »Und sind das auch alle? Oder gibt’s noch mehr? Die Vettern zum Beispiel? Der Milchmann? Ihr alle wollt dieses Haus!«
»Nein«, sagte Laura langsam und schaute Matt an. »Ich nicht mehr. Ich will es nicht mehr haben.« Sie sagte es mit unabänderlicher Gewissheit.
Matt fuhr herum. Sie konnte beobachten, wie ihm klar wurde, was sie da gerade gesagt hatte, wie er das zärtliche Lächeln auffing, das Nicholas ihr zuwarf, dass er sich an ihre vorherige Entschuldigung erinnerte, dass Nicholas sie mit dem Vornamen angeredet hatte. Ihr Mann schaute sie an, und als sie dem durchdringenden Blick seiner blauen Augen nicht länger standhalten konnte, wandte sie sich ab.
Anthony, der hinter ihr stand, starrte Nicholas mit verschlossenem Gesichtsausdruck an.
Das wär’s dann, dachte Laura. Jetzt gibt’s kein Zurück mehr.
»Hier, nehmen Sie meine Visitenkarte.«
Nicholas zog geschäftsmäßig eine Visitenkarte aus seiner Brusttasche und reichte sie Isabel Delancey. Dann trat er an Lauras Seite.
»Ein wirklich seltsamer Vormittag«, sagte er. »Aber denken Sie bitte trotzdem über meinen Vorschlag nach, Mrs Delancey. Ich bin sicher, wir finden eine Lösung, die für beide Seiten von Vorteil wäre.«
DREIUNDZWANZIG
D ie schlanken Haselzweige waren nicht älter als sieben Jahre – man konnte sie für den Bau von Hürden oder zum Dachdecken verwenden. Die älteren, dickeren waren gut für Spazierstöcke geeignet oder für Wallhecken. Er hatte einen kleinen Haufen Edelkastanienäste zusammengesammelt, die sich ebenfalls gut zum Bau von Hecken oder Zäunen eigneten, aber am meisten verdiente man mit Haselsträuchern. Man war daher übereingekommen, vor allem die Haselsträucher in dem alten Waldstück stehen zu lassen sowie neu auf Stock zu setzen. Vorsichtig stapfte er durchs Unterholz, sah sich die jungen Schösslinge genau an, überprüfte sie auf Ungezieferbefall. Die Leute glaubten, er würde hier nur alles rausreißen, zerstören, aber das stimmte nicht. Gebüsch und Bäume mussten regelmäßig ausgedünnt, also »auf Stock gesetzt« werden, nur so konnten sie gut gedeihen. Ein Baum, der regelmäßig zurückgeschnitten wird, besitzt eine weit längere Lebensspanne. Byron war sich sicher, dass darin eine Lebensweisheit steckte, aber welche, hätte er beim besten Willen nicht sagen können.
Mit sicherem Schritt durchquerte er den alten Laubwald, brachte einen weiteren Arm voll Zweige zum Waldrand, dort, wo die Straße vorbeilief. Heutzutage besannen sich die Leute immer öfter auf die alten Methoden, und das galt auch für den Stockausschlag, das Ausdünnen von Unterholz und Wäldern. Mit Gartenmöbeln aus Naturmaterialien könne man heutzutage das ganz große Geld machen, hatte Frank heute früh gesagt, während er Byron bei der Arbeit zusah. Oder mit rustikalen
Zäunen. Darauf waren die Leute in den Baumärkten und Gartencentern ganz scharf. Und aus dem, was übrig war, ließ sich Holzkohle machen. Es gab jetzt jede Menge staatlicher und gemeinnütziger Zuschüsse für Renaturierungsprojekte. Alle Naturschutzorganisationen unterstützten diesen Trend.
Gelegentlich musste er an Matt denken, und dann spürte er, wie sich seine Rücken- und Nackenmuskeln versteiften, wie sich seine Kiefermuskeln anspannten. Er holte tief Luft. Matt McCarthy hätte ihn beinahe aus dem Dorf vertrieben und Isabel aus ihrem Haus. Noch immer fragte er sich, ob es nicht besser gewesen wäre, ihr reinen Wein einzuschenken. Ihr die Sache mit der Ratte zu erzählen und wie rücksichtslos Matt sein konnte, wenn er etwas haben wollte. Aber sie war gestern so glücklich gewesen, als könnte sie zum ersten Mal etwas Gutes am Leben finden. Das hatte er ihr nicht verderben wollen. Sein Handy klingelte.
»Ich bin’s, Isabel.«
»Hi!«, sagte er entzückt und dann, etwas gebremster, noch einmal »hi«.
»Wie läuft es? Mit deiner Arbeit, meine ich?« Sie hielt inne. »Thierry wollte, dass ich anrufe.«
»Gut, gut.« Sein Blick glitt über den riesigen Haufen Dornenzweige, den er zusammengesammelt hatte. Seine
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