Der Klang des Herzens
Hände waren total zerkratzt. »Harte Arbeit, aber … gut.«
»Ja.«
»Es ist schön hier. So nah am Meer. Kommt mir mehr wie Urlaub vor statt wie Arbeit.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Und Frank, der Eigentümer, ist toll. Er hat mir noch mehr Arbeit in Aussicht gestellt.«
»Ach … wie schön für dich.«
»Ja, hat mich sehr gefreut. Und wie läuft’s bei euch?«
Da merkte er erst, wie angespannt sie klang. Drei Autos fuhren an ihm vorbei, bevor sie weitersprach.
»Ich weiß nicht, wie ich dir das sagen soll, aber wir … Es gab einen Zusammenstoß. Ein Mann kam vorbei, ein Bauunternehmer. Er will das Haus kaufen. Matt tauchte plötzlich auf und ist vollkommen ausgeflippt.«
»Ist dir was passiert?«
»Nein, nein. Aber der Bauunternehmer hat eins auf die Nase gekriegt. Zum Glück ist Laura aufgetaucht, und Matt hat sich wieder beruhigt.« Leise fügte sie hinzu: »Byron, ich glaube, Matt hat so eine Art Zusammenbruch.«
»Matt McCarthy ?«
»Er … er ist nicht mehr er selbst.«
Byron sagte nichts.
»Er kommt mir … Irgendwas stimmt nicht mit ihm. Er ist irgendwie total daneben.«
Kann ich mir denken, dachte Byron bitter. Die Vorstellung, jemand anders könnte das Haus in die Finger kriegen. »Mach dir um den keine Sorgen«, sagte er barscher als beabsichtigt, »der sorgt schon für sich.«
Sie seufzte. »So was Ähnliches hat der Unternehmer auch gesagt.«
Er begann am Waldrand entlangzugehen, ohne seine Umgebung noch groß wahrzunehmen. »Was hast du zu dem Mann gesagt? Zu diesem Unternehmer?«
»Ich wusste nicht, was ich sagen soll. Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll. Er hat gesagt … er hat gesagt, dass Matt das Haus absichtlich beschädigt hat, um uns daraus zu vertreiben.«
Byron schloss die Augen.
»Als du weg warst, hat er ein riesiges Loch in die Wand im Schlafzimmer geschlagen. Im großen Schlafzimmer, wo du geschlafen hast.«
Auf Byrons Brust schien sich ein Bleigewicht zu senken. Er hätte nicht fortgehen dürfen. Er hätte sie nicht im Stich lassen dürfen. Er hätte sie warnen müssen, ob sie hören wollte
oder nicht. Er hätte etwas gegen Matt unternehmen sollen. Die Schuldgefühle waren erdrückend, ebenso die Last all der ungesagten Dinge.
»Byron, ich weiß nicht, was ich tun soll.«
»Musst du denn was tun? Du brauchst doch nicht gleich jetzt eine Entscheidung zu treffen.«
»So kann ich nicht mehr leben.«
Er hörte es in ihrer Stimme. Sie hatte ihre Entscheidung bereits gefällt.
»Du willst das Haus verkaufen«, sagte er tonlos.
»Was soll ich denn tun? Was sagst du?«
Er wusste nicht, was er sagen sollte. Er hatte danebengestanden und zugesehen, wie Matt sie in diese fürchterliche Lage gebracht hatte. Er würde immer in ihrer Schuld stehen, selbst wenn sie es nicht so sehen wollte. Und was konnte er ihr schon bieten? Zurückkommen und Holz hacken? Kaninchen häuten? Unter ihrem Dach leben? Wenn er das täte, würden sie einander nie auf Augenhöhe begegnen können, dann hätte er ihr nichts zu geben außer seiner Dankbarkeit.
Er schluckte schwer. »Na ja, wäre wohl nicht unvernünftig, noch vor dem Winter da rauszukommen.«
»Oh.«
Eine längere Pause trat ein.
»Wenn es das ist, was du willst.«
»Ja, du hast wohl recht.« Sie hüstelte. »Wie lange, glaubst du, wirst du fort sein?«
»Ich weiß nicht. Hör zu – das wollte ich dir eigentlich erst sagen, wenn ich wieder da bin, aber Frank meint, er hätte möglicherweise einen Job für mich.«
»Dort? Einen Vollzeitjob?«
Die staatlichen Zuschüsse würden reichen, um damit eine Arbeitskraft zu bezahlen, hatte Frank gemeint. Und es gab, abgesehen vom Wäldchen, noch anderes zu tun. Byron hatte ihn an seine Vorstrafe erinnert.
»Das hält dich doch nicht davon ab, eine Säge anzuwerfen, oder?«, hatte der trocken geantwortet.
»Ich kann in einem Wohnwagen wohnen. Er meint, sechs Monate. Mindestens. Es ist ein gutes Angebot.«
»Ja, das ist es wohl. Aber du weißt ja, du kannst jederzeit bei uns unterkommen. So lange du willst. Du musst nichts überstürzen.«
»Ich muss Geld verdienen, Isabel. Ich brauche einen Job. Und solche Gelegenheiten kriegt man nicht alle Tage.« Er trat nach einem Kiesel. »Und du willst ja sowieso wegziehen …«
Eine weitere Pause.
»Dann wirst du den Job also auf jeden Fall annehmen?«
»Glaube schon. Aber das soll nicht heißen, dass ich nicht gelegentlich vorbeikommen und euch besuchen kann. An den Wochenenden. Wenn du willst. Wenn Thierry will.« Er
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