Der Klang des Herzens
hochrotem Gesicht vor ihm und wedelte wütend mit einem Zettel. »Was soll das denn heißen?«
»Ich wollte nicht stören«, erklärte Byron. »Du sagtest doch, du wolltest deine Steuersachen machen.«
»Du bist seit fünf Minuten hier, und schon willst du wieder wegrennen. Was soll das heißen?«
»Frank …«
»Komm mir nicht mit ›Frank‹! Ich geb dir’ne Chance, ein Dach überm Kopf, lad dich an meinen Tisch ein, und du fängst jetzt schon an, das auszunutzen. Ich bin doch nicht von gestern, Byron Firth.«
»Hör zu …«
»Nein, du hörst mir jetzt mal zu, Freundchen. Ich hab dich angestellt, damit du mir den Wald in Ordnung bringst, so schnell wie möglich. Und du glaubst, du könntest mich verarschen, jede Weile abhauen, hier ein Mädel, da ein Mädel? Vergiss es.«
Er wandte sich ab und schob sich den Hut in den Nacken. »Ich hätte auf die Leute hören sollen. Aber nein, Muriel hat gesagt: ›Gib dem armen Kerl’ne Chance. Er war immer so ein guter Junge.‹ Tja, da sieht man mal. Aber so einen wie dich finde ich allemal.« Er wollte zornig davonstapfen.
»Aber ich bin doch fertig«, sagte Byron.
»Womit?«
»Mit dem Stockausschlag. Im kleineren Waldstück.«
Frank blieb verblüfft stehen. »Was, das ganze Waldstück?«
»Ja. Die Haselzweige liegen hinter der Scheune, wie wir’s besprochen haben.«
Frank trug immer denselben Staubmantel, egal ob’s zehn Grad unter oder dreißig Grad über null hatte. Nun hob er ungläubig die Schultern. »Aber …«
»Ich hab die ganze Nacht durchgearbeitet.« Er wies auf den Zettel in Franks Hand. »Du hast nicht zu Ende gelesen. Ich hab jemandem versprochen, zu seiner Geburtstagsfeier zu kommen. Und das ging nur, wenn ich die ganze Nacht durcharbeite. Ich bin gestern Abend nach dem Abendessen noch mal raus.«
»Du hast alles letzte Nacht gemacht? Was, im Dunkeln?«
Byron grinste.
Frank las den Zettel noch einmal. Auf seinen wettergegerbten Zügen breitete sich ein Grinsen aus.
»Na, da soll mich doch … Du warst schon immer ein unmöglicher Kerl, Byron Firth. Und du hast dich kein bisschen geändert. Teufel noch mal. Hat die ganze Nacht durchgearbeitet. Ha!«, rief er.
»Dann hast du nichts dagegen, wenn ich gehe? Am Montag bin ich wieder zurück. Dann kümmere ich mich um das größere Waldstück.« Byron nahm einen Schluck Kaffee.
»Deine Zeit kannst du dir selbst einteilen, Junge. Solange du nicht von mir erwartest, dass ich dir Taschenlampenbatterien spendiere. Ha! Die ganze Nacht, was? Das muss ich Muriel erzählen. Sie muss was ins Essen getan haben.«
Sie waren früher da als erwartet, aber das überraschte Kitty nicht wirklich. Autos kamen kiesspritzend auf der Auffahrt zum Stehen, und ihre Freunde purzelten heraus. Oder tauchten in giggelnden Grüppchen aus dem Wald auf. Sie winkte sie fröhlich herein. Endlich gehörte sie dazu. Und der Zustand des Hauses machte ihr auch nichts mehr aus, denn sie wusste, dass die Leute ohnehin nur die schöne Umgebung und
den See sehen und überlegen würden, wann sie endlich reinspringen konnten. Mum hatte gestern Abend erwähnt, dass sie wahrscheinlich wieder hier ausziehen müssten, aber sie hatte gesagt, dass sie sich was in der Nähe suchen würden, damit sie und Thierry auf ihrer Schule bleiben konnten. Kitty war ein Stein vom Herzen gefallen. Dies war jetzt ihr Zuhause. Sie wollte nicht mehr weg.
»Geht’s dir gut?«, fragte sie Anthony, der lustlos an einem Schlauchboot zerrte, das Gesicht halb unter seiner Mütze versteckt.
»Sie kommt schon wieder«, sagte sie und schlang ihren Arm um seine Schultern. »Ohne dich hält sie’s nicht aus.«
»Ich hab sie gesehen«, sagte er. »Sie saß auf den gepackten Koffern.«
Kitty hatte selbst ein Elternteil verloren. Aber wie man sich fühlte, wenn einer einen freiwillig verließ, das konnte sie sich nicht vorstellen. Anthony war so verzweifelt, dass sie Angst hatte, was Falsches zu sagen.
Sie saßen minutenlang schweigend am Ufer und ließen die Beine ins Wasser baumeln. Zwei Kohlweißlinge flatterten vorbei, und eine riesige Libelle verharrte summend über ihren Füßen. Mit ihren riesigen Insektenaugen beobachtete sie die beiden.
Als sie wegflog, schaute Kitty Anthony an. »Es wird besser«, sagte sie, und er schaute unter seiner Wollmütze auf. »Das Leben. Manchmal ist es einfach beschissen. Und grade wenn du glaubst, dass es nie besser werden wird, ändert es sich.«
»Was soll das sein? Unsere kleine Farm ?«
»Letztes Jahr um diese
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