Der Klang des Herzens
nicht einmal allzu weit unter dem von ihm geforderten Kaufpreis liegen; nahe genug jedenfalls, um Verhandlungen zu ermöglichen. So war nun mal die derzeitige Lage. Immobilien, über die noch vor fünf Jahren jeder die Nase gerümpft hätte, gingen nun weg wie warme Semmeln. Die Leute halsten sich bedenkenlos Hypothekenschulden auf, bei denen einem schwindlig werden konnte.
Erinnert ihr euch denn nicht an die letzte Krise?, hätte er am liebsten gefragt. Wisst ihr nicht, was ihr euch antut, wenn ihr euch an ein derart schlechtes, überteuertes Objekt bindet? Ihr wärt nicht die Ersten, die sich mit so etwas ruinieren.
»Haben Sie noch viele Interessenten?«, fragte der junge Mann und trat näher an Nicholas heran.
»Heute Nachmittag noch zwei«, antwortete er glatt. Es war die Standardantwort.
»Wir werden uns melden.« Der junge Mann bot ihm seine Hand.
Nicholas drückte sie überrascht und dankbar. Es gab nicht mehr viele Leute, die einem heutzutage noch die Hand schütteln wollten, am allerwenigsten einem Immobilienmakler wie ihm.
»Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er. »Falls es mit dieser Wohnung nichts werden sollte, werden wir was Besseres für Sie finden.«
Der junge Mann runzelte die Stirn. Nicholas wusste, was er jetzt dachte: Ist das wieder so ein Verkaufsmanöver? Oder was bezweckt er damit? Nicholas seufzte. Das Immobiliengeschäft macht uns alle zu paranoiden Narren, dachte er traurig. »Ich meine … die Entscheidung liegt natürlich ganz bei Ihnen.«
»Wir werden uns melden«, wiederholte der junge Mann, und Nicholas hielt dem Pärchen die Tür auf. Die Köpfe zusammengesteckt verschwanden sie, um sich ihr neues Leben in dieser Wohnung auszumalen.
»Ihre Frau hat angerufen«, nuschelte Charlotte mit vollen Backen. Irgendein Müsli, vermutete Nicholas.
»Sorry, Ihre Exfrau«, korrigierte sie sich fröhlich und hielt ihm einen Zettel hin. »Ich mag das Wort nicht. Klingt irgendwie unnatürlich.«
Das fand er auch. Kein Wort, das man auf sich selbst bezogen sehen wollte. Exmann. Gescheiterter Ehemann. Gescheiterte Existenz. Nicholas nahm den Zettel und schob ihn in die Tasche.
Im Büro summte es vor Aktivität. Derek, der Filialleiter,
saß über seinen Schreibtisch gebeugt und redete wild mit dem Arm fuchtelnd in den Telefonhörer. Paul, der andere Makler, zeichnete soeben ein Diagramm aufs große Sales-Board. Eine Frau mittleren Alters – eine Besucherin – hielt sich schniefend ein Taschentuch an die Nase und sprach mit dem Vermietungsagenten. Die Glastür fiel hinter ihm zu und dämpfte den Lärm von der Highstreet.
»Ach ja, und ein Mike Sowieso hat angerufen – will Sie zu sich zum Abendessen einladen. Ein alter Bekannter, meint er. Hab ihm das von Ihrer Frau erzählt, weil er’s noch nicht wusste. Tat ihm richtig leid. Schönen Gruß, soll ich sagen.«
Nicholas nahm hinter seinem Schreibtisch Platz. Mrs Barr anrufen , stand auf einem Zettel, unzufrieden mit der neuen Begutachtung .
»Mike Sowieso.«
»Sagt, er lebt in Norfolk. Ist schön dort.«
»Wo in Norfolk soll das sein?«
»Weiß nicht. Überall, schätze ich.«
Drew House. Käufer kurz vor Vertragsunterzeichnung ausgestiegen. Bitte dringend Mr Hennessy anrufen.
Er schloss kurz die Augen.
Kevin Tyrell möchte den Besichtigungstermin verschieben. Will nicht beim Fußball gestört werden.
Jetzt musste er allen vier Interessenten, die er für diesen Termin gebucht hatte, absagen. Alle würden sauer sein. Und das nur, weil Kevin sich in Ruhe ein Fußballspiel im Fernsehen anschauen wollte!
»Sagt, er war bei Ihrer Hochzeit. Muss ja unglaublich gewesen sein, Nick. Sie haben uns gar nicht erzählt, dass Sie auf Doddington Manor geheiratet haben.«
»Nicholas«, sagte er, »mein Name ist Nicholas.«
»Nicholas. Wusste ja gar nicht, dass die Familie Ihrer Frau so reich ist. Sorry, Ihrer Exfrau. Sie sind mir ja einer! Stilles Wasser, was? Als Nächstes erzählen Sie uns, Sie wohnen am Eaton Square.« Ihr Gackern wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen.
Eaton Square. Er hatte mal überlegt, sich dort eine Immobilie zu kaufen. Anfang der Achtzigerjahre, noch vor dem Immobilienboom, als es in London noch an allen Ecken und Enden heruntergekommene, billige Mietwohnungen gab. Alles günstige Objekte, wo man mit einer Renovierung ein Vermögen hätte machen können. An dieses spezielle Objekt konnte er sich trotz der vielen anderen, die ebenfalls durch seine Hände gegangen waren, noch gut erinnern, weil es
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