Der Klang des Herzens
dass alle Cottages, die er sich angesehen hatte, mehr als doppelt so viel Miete kosteten, wie Matt ihm an Lohn bezahlte. Und in der einen Wohnung, die er sich vielleicht hätte leisten können, waren Hunde nicht willkommen. Und Meg konnte jeden Tag ihre Welpen bekommen. Der Mann im Wohnungsamt hatte schallend gelacht, als Byron sich dort um eine Wohnung zu bewerben versucht hatte. Offenbar wurde hier nach einem Punktesystem vorgegangen, und er als gesunder junger Mann, der nicht einmal arbeitslos war, hatte null Chancen.
»Ich würde dich ja gern zu uns mitnehmen. Aber ich glaube, Jason möchte einen richtigen Neuanfang mit mir und Lily …«
»Hör auf, Jan, mach dir keine Sorgen. Er hat recht. Ihr solltet versuchen, eine Familie zu werden.« Er hatte den Arm um seine Schwester gelegt. Er würde Lily und sie schrecklich vermissen, das lockere Chaos ihres Alltags. »Für Lily wird’s gut sein, wieder einen Vater zu haben.«
»Und dir geht’s auch wieder gut, oder? Ich meine … jetzt ist doch alles vorbei, du hast’s hinter dir.«
Er seufzte. »Ja, sicher. Ich kann gut auf mich selbst aufpassen.«
»Ich weiß. Aber … Na ja, ich fühle mich irgendwie schuldig.«
»Es war nie deine Schuld.« Sie schauten sich an, sprachen aber nicht aus, was zwischen ihnen hing.
»Dann musst du aber wenigstens an den Sonntagen kommen. Ich mache uns ein richtig schönes Sonntagsessen. Okay?«
Rrumms ! Er schlug den Stahlzylinder abermals auf einen Pfosten, die Augen vor der Sonne verengt. Er hatte überlegt, ganz woanders hinzuziehen, in eine Gegend weiter weg von London, wo’s billiger war. Aber in den Stellenanzeigen wurden nur qualifizierte Landverwalter verlangt, Leute, die Landwirtschaft studiert hatten. Einer wie er – noch dazu mit seiner Vergangenheit – hatte da keine Chance. Außerdem kannte er das Land hier wie seine Westentasche, hatte hier immer noch ein paar Kontakte. Und ein Job bei Matt McCarthy war immer noch besser als gar keiner.
Byron hob den Stahlzylinder, doch als er ihn gerade auf den Pfosten hauen wollte, bemerkte er aus den Augenwinkeln eine Bewegung zu seiner Rechten. Ein Junge stand hinter der Hecke. Das lenkte ihn ab, und er klemmte sich den Daumen zwischen Zylinder und Pfosten ein. Eine laute Verwünschung ausstoßend, schob er den schmerzenden Daumen zwischen die Knie. Die Hunde sprangen jaulend auf. Byron schaute sich um. Der Junge war verschwunden.
Isabel hatte eine übertrieben aufrechte Haltung, hielt den Kopf gewöhnlich kerzengerade – als Ausgleich zur schiefen Kopf- und Schulterhaltung beim Geigespielen. Doch nun ging sie mit gesenktem Kopf den Waldpfad entlang nach Hause. Was war ihr bloß eingefallen, überhaupt zu diesem »Kaffeeklatsch« zu gehen? Hatte sie sich eingebildet, auch nur irgendetwas mit diesen Frauen gemein zu haben? Der Rest der Unterhaltung war reichlich steif verlaufen. Laura hatte sich nach Isabels Kindern erkundigt, aber als diese gestand, wie sehr sie das Kindermädchen vermisse, dass sie nicht
kochen könne und überhaupt keinerlei hausfrauliche Qualitäten habe, war die Enttäuschung spürbar gewesen. Und Isabel, anstatt den Mund zu halten, war immer rebellischer geworden. Ein wenig taktlos hatte sie bemerkt, sie fände Hausarbeit eine alles andere als erfüllende Beschäftigung. Da waren ihnen die Kinnladen heruntergeklappt, als habe sie behauptet, ihre Lieblingsspeise sei Menschenfleisch. »Ach ja«, hatte eine der Frauen gesagt und ihr herablassend den Arm getätschelt, »jetzt, da Sie nicht mehr berufstätig sind, können Sie Ihre Kinder ja endlich richtig kennenlernen.«
Isabel riss zornig die Haustür auf, die abzuschließen sie vergessen hatte. Sie rannte nach oben und holte ihre Geige. Dann ging sie in die Küche hinunter, den einzigen Raum im Haus, wo noch ein Hauch Wärme herrschte, und schlug ein Notenheft auf. Zornig begann sie zu spielen. Kratzend, rücksichtslos fuhr ihr Bogen über die Saiten. Sie vergaß die feuchte Küche, vergaß die Wäsche, die noch auf dem Wäscheständer hing, vergaß das liegen gebliebene Frühstücksgeschirr. Sie vergaß die Frauen aus dem Dorf und deren kaum verhohlene Ablehnung, Lauras seltsamen, undurchschaubaren Gesichtsausdruck. Sie konzentrierte sich allein auf ihre Musik, bis sie sich darin verlor, zog die Noten in die Länge, bis sich ihr Körper entspannte. Nachdem sie mehrere Seiten gespielt hatte, ging es ihr schon ein wenig besser.
Irgendwann ließ sie schließlich den Bogen sinken, rollte die
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