Der Klang des Herzens
über Sofastoffe zu faseln. Richtige Hühner. Immer am Gackern. Ich sag andauernd zu Laura, dass sie sich viel zu viel mit ihnen abgibt.« Er hatte die Tür erreicht. »Machen Sie sich keine Sorgen über das alles. Morgen früh geht’s los, werde um acht hier sein. Falls Sie bis dahin vielleicht das Esszimmer ausräumen könnten, dann fangen wir dort mit den Dielen an. Mal sehen, was drunter ist.«
»Danke«, sagte Isabel. Sie war ihm überaus dankbar. Er
hatte sie zuerst ziemlich nervös gemacht, aber jetzt fühlte sie sich seltsam getröstet.
»He«, sagte er und hob grüßend die Hand, »wozu sind Nachbarn da?«
Es gibt keinen einsameren Ort als ein leeres Doppelbett. Der Mond schien durchs Fenster herein und warf einen Lichtkreis an die Decke. Isabel lauschte dem friedlichen Rattern der Fensterscheiben in den Rahmen, den fernen Rufen der Wildtiere. Sie ängstigten sie zwar nicht mehr, unterstrichen aber ihr Gefühl, ganz allein auf der Welt zu sein.
Als sie vor einiger Zeit zu Bett gegangen war, hatte sie ein Weinen gehört. Sie war noch einmal aufgestanden, in ihren Morgenmantel geschlüpft und zu Thierry ins Zimmer gegangen. Er hatte sich die Decke über den Kopf gezogen und wollte trotz aller Bitten nicht hervorkommen. »Bitte sprich doch mit mir, Schatz. Rede mit mir«, hatte sie geflüstert. Doch er wollte nicht. Aber eigentlich musste er auch gar nicht. Sie hatte ihre Hand auf die Decke gelegt und seine zuckenden Schultern gespürt, bis auch sie anfing zu weinen. Am Ende hatte sie sich zu ihm aufs Bett gelegt und sich an ihn geschmiegt. Als er schließlich eingeschlafen war, hatte sie die Decke zurückgeschlagen und sein Gesicht gestreichelt. Fast widerwillig war sie dann die knarrende Treppe hinauf in ihr Schlafzimmer zurückgegangen.
Jetzt stand sie am Fenster, spürte die rauen Holzbretter unter ihren nackten Fußsohlen und blickte auf die geheimnisvoll beleuchtete Landschaft. Die Bäume in der Ferne waren ein undurchdringlicher lila Wall. Im bleichen Schein des Mondes schienen die Wände und Säulen rund um das Haus zu wabern. Etwas Dunkles flitzte durch den Garten und verschwand in der Schwärze des Waldes. Auf einmal sah sie ihn zwischen den Bäumen hervortreten, die Jacke über der Schulter. Dann war er plötzlich verschwunden, wie eine Täuschung.
»Laurent«, flüsterte sie und wickelte sich fester in ihren Morgenmantel. Traurig kletterte sie ins kalte Bett. »Komm zu mir zurück.«
Sie stellte sich vor, wie er sich zu ihr legte, wie die Matratze unter seinem Gewicht einsank, das Quietschen der Sprungfedern, wie er seinen schweren Arm um ihre Taille legte. Ihre eigenen Hände an der Seide ihres Morgenmantels waren zu schmal, zu leicht, besaßen kein Gewicht. Sie spürte die weite Leere des Lakens neben sich, spürte das kalte Kissen. Hörte die Stille im Zimmer, in dem außer ihr niemand atmete. Sie stellte sich Matt vor, ihren Nachbarn, wie er seine Frau an seinen starken Körper zog, sie fest in die Arme nahm, sah ihr verschlafenes Lächeln. Sie sah all die anderen Paare da draußen, atmend, sich flüsternd unterhaltend, Hand in Hand, Haut an Haut. Niemand wird meine Haut je wieder streicheln, dachte sie. Niemand wird sich mehr so an mir erfreuen wie er. Sie wurde von einer so starken Sehnsucht gepackt, dass sie glaubte, ersticken zu müssen.
»Laurent«, flüsterte sie in die Dunkelheit. Tränen sickerten unter ihren geschlossenen Lidern hervor. Sie begann sich am Laken zu reiben. »Laurent«, rief sie, während ihre Hände vergebens versuchten, Musik aus einem Körper hervorzulocken, der taub geworden zu sein schien.
Unweit davon rief Byron seine Terrierhündin Elsie zurück, die erregt im Unterholz herumschnüffelte. Er richtete den Strahl seiner Taschenlampe vor sich auf den Boden, sah dunkle kleine Kreaturen eilig im Unterholz verschwinden. Die Jungs im Pub hatten erzählt, dass im Wald ein paar Wilderer Fallen aufgestellt hätten. Er wusste zwar, dass seine Elsie klug genug war, nicht in so ein Ding zu tappen, wollte die Fallen aber entschärfen, bevor es einem anderen Tier passierte. Wer einmal einen Fuchs oder einen Dachs gesehen hat, der tagelang in so einer Falle hing und sich das Bein oder die Pfote fast
abgenagt hat, um freizukommen, der vergisst das nie wieder. Außerdem, besser hier draußen mit den Hunden herumstreifen, als ganz allein im leeren Haus sitzen und sich den Kopf über die Zukunft zerbrechen.
Sein Handy klingelte. Elsie zurückpfeifend, holte er es
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