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Der Klang des Herzens

Titel: Der Klang des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jojo Moyes
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verliere ich die Beherrschung.
    Doch während sie wie fixiert auf das Haus in der Ferne starrte, legte sich auf einmal eine Hand auf die ihre, eine warme, feste, unvertraute Hand. Und eine Stimme, die überraschend rau klang, sagte: »Dieser Mann ist ein Narr.«
     
    Zwei Stunden vergingen, bevor er einen Blick auf seine Uhr warf. »Ziemlich ausgiebige Mittagspause«, bemerkte sie, nachdem er sich laut darüber gewundert hatte, wie spät es schon sei. Er nickte und sagte lächelnd: »Was das Mittag essen betrifft, aber eher karg.«

    Beide schauten das zerknüllte Schokoriegelpapier an.
    Über Matt hatten sie nicht mehr gesprochen. Er hatte ritterlich das Thema gewechselt und ihr von einem ähnlichen Ort erzählt, an dem er und seine Geschwister ihre Kindheit verbracht hatten, wo sie herumgetobt und gezeltet hatten. Dann hatten sie sich über die Haustiere unterhalten, die sie als Kinder gehabt hatten, über ihre Eltern und die Probleme, die sie einem mit zunehmendem Alter machten, darüber, warum manche Menschen Beziehungen mieden, und über die Gründe dafür, dass sie beide hier am Waldrand saßen. Dann hatte sie einen Blick auf ihre Uhr geworfen und festgestellt, dass schon zwei Stunden vergangen waren.
    »Vielleicht erlauben Sie mir ja mal, das wiedergutzumachen«, sagte er. »Eine bessere kulinarische Offerte.«
    Sie verstand, was er meinte. Und ihr Lächeln erlosch. Er wollte sie zum Lunch ausführen. In ein Restaurant. Aber es war eine Sache, jemandem zufällig im Wald über den Weg zu laufen, selbst sich zu ihm zu setzen und zwei Stunden zu plaudern, als sich in einem Restaurant zum Mittagessen zu verabreden. Das implizierte Planung. Das implizierte Absicht.
    Etwas also, das Matt mit seinen diversen Eroberungen machen würde.
    Er sah ihr wohl an, was sie dachte, denn auf seinem Gesicht machte sich Enttäuschung breit. »Entschuldigen Sie«, beeilte er sich zu sagen, »ich sehe ein … Die Dinge sind kompliziert.«
    »Es liegt nicht an Ihnen …«
    Er zuckte zusammen.
    »Sie … sind ein guter Zuhörer. Man kann gut mit Ihnen reden.«
    »Mit Ihnen auch, Laura.« Er erhob sich und bot ihr seine Hand. »Ganz ehrlich. Ich habe diesen Nachmittag mehr genossen, als ich sagen kann.«

    »Ach, das Geschwätz einer betrogenen Hausfrau …« Sie zog ihre Bluse zurecht.
    »Nein«, widersprach er, »einer ehrlichen. Ich fühle mich geehrt.« Er wollte ihre Hand gar nicht mehr loslassen. »Ich bin seit Langem allein. Zum Teil, weil ich es so will, aber es tut gut, mal wieder mit jemandem zu reden – mit jemandem, der so klug und so freundlich ist und …«
    »Ich glaube, ich sollte jetzt besser gehen.«
    Er ließ ihre Hand los. »Natürlich, ich verstehe.«
    »Vielleicht laufen wir uns ja mal wieder über den Weg«, sagte sie. Sie konnte nicht fragen. Sie konnte sich nicht einmal eingestehen, dass sie vielleicht wollte.
    Er griff in seine Tasche, holte einen Stift hervor und schrieb etwas auf einen Zettel.
    »Falls Sie es sich doch noch anders überlegen sollten. Wegen des Essens«, erklärte er.
    Und sie ging davon, den radioaktiven Zettel in der Tasche. Er rief ihr nach: »Drei Gänge oder nur ein Schokoriegel, mir ist beides recht.«
     
    Er schaute ihr nach, wie sie, ein wenig befangen, den Pfad entlangging – als wüsste sie, dass ihr seine Blicke folgten. Aber sie würde sich nicht zu ihm umschauen, das wusste er, selbst wenn sie gewollt hätte. Alles an ihr verriet Feingefühl und eine gute Erziehung, etwas, das man heutzutage immer seltener fand. Selbst die Art, wie sie eine Tasse hielt, war elegant. Er hätte sie stundenlang anschauen können. Er hatte sich regelrecht zwingen müssen, stattdessen auf das Haus zu schauen, um sie nicht mit der Intensität seiner Gefühle zu erschrecken. Aber dass sie neben ihm saß, war ihm überdeutlich bewusst, vor allem dann, wenn eine leichte Brise ihm ihr Parfüm zuwehte. Ihm war der Atem gestockt, als sie ihn auf einmal mit ihren großen, traurigen grauen Augen angeschaut hatte.
    Jetzt jedoch konnte er ihr hemmungslos nachschauen, so
lange, bis sie zwischen den Bäumen verschwand, wo ihr schönes blondes Haar ein letztes Mal in der Sonne aufleuchtete.
    Er befürchtete, dass er diese schöne, sanfte Frau, die er kaum kannte, nur zu gut verstand. Er hatte keine mehr so leidenschaftlich, so ohne jeden Zweifel begehrt, seit ihn seine Frau verlassen hatte. Und ob er seine Frau überhaupt je so begehrt hatte? Wohl nicht.
    Langsam ging er zu seinem Auto. Dabei befahl er sich,

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