Der Klang des Herzens
sich keine allzu großen Hoffnungen zu machen. Er musste Geduld haben, abwarten, ebenso wie beim Großen Haus. Er war trotz allem im Grunde seines Herzens ein Händler, ein Verkäufer mit Leib und Seele – selbst wenn er nicht genug Selbsteinsicht besaß, um dies zu erkennen. Und ein Rivale, selbst ein unbekannter, von dem er nicht wirklich wusste, für wie gefährlich er ihn zu halten hatte, stachelte ihn nur noch mehr an.
An diesem Spätnachmittag ließ Byron sich endlich blicken. Es klopfte an der Küchentür, und weil Isabel durch die Scheibe sehen konnte, wer draußen stand, machte sie auf. Er stand in einem blauen T-Shirt vor ihr, scheinbar unempfindlich gegen die abendliche Kühle.
»Hallo«, sagte er, und sein Lächeln traf sie so unerwartet, dass sie es automatisch erwiderte. »Ich hoffe, ich störe nicht. Aber ich muss kurz mit Ihnen reden, wenn’s Ihnen nichts ausmacht.«
»Möchten Sie reinkommen?«, fragte sie und trat beiseite. Thierry, der an seinen Hausaufgaben saß, sprang auf.
»Nein, nein«, wehrte Byron ab, »lieber draußen.« Er wies mit einer Kopfbewegung auf den Garten. Isabel trat hinaus und zog die Tür hinter sich zu.
Mein Gott, dachte sie, sicher will er jetzt Geld für all die Sachen, die er uns gebracht hat.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte sie besorgt.
»Es geht um Thierry«, sagte er leise.
»Was ist mit ihm?«, fragte sie alarmiert.
»Nichts, nichts«, beruhigte er sie hastig. »Es ist nur so – ich habe die meisten Welpen verkauft – na ja, zumindest für bestimmte Leute reserviert -, aber bevor ich die letzten zwei loswerde, wollte ich fragen, ob Thierry vielleicht einen haben will. Ich glaube, sie sind ihm sehr ans Herz gewachsen.«
Auf dem Boden stand eine Schachtel, in der sich zwei schwarzweiß gefleckte Hündchen balgten.
»Sie sind jetzt fast entwöhnt«, fuhr er fort, »und ich dachte … Na ja, er scheint sich in Gesellschaft von Tieren sehr wohlzufühlen.« Er verstummte, als habe er zu viel gesagt. Dann fügte er hinzu: »Ich bringe ihn dazu, dass er sie ruft.«
»Er ruft sie?«
»Ja. Ich sag ihm, das muss er, um sie zu trainieren. Meistens gehen wir dazu in den Wald.«
»Und das macht er?«
Byron nickte. »Manchmal sogar ziemlich laut.«
Isabel hatte auf einmal einen dicken Kloß im Hals. Ihr kleiner Junge. Sich vorzustellen, dass seine helle Stimme durch den Wald schallte. »Was sagt er denn?«
»Nicht viel. Er ruft ihre Namen und ›Sitz!‹, ›Bei Fuß!‹ und so was. Ich dachte, es wäre gut, ihn dazu zu bringen, ein bisschen was von sich zu geben. Im Wald fällt ihm das leichter.«
Schweigend schauten sie sich an.
»Für wie viel haben Sie denn die anderen verkauft?«, wollte Isabel wissen.
»Ach, zweihundert pro Stück.« Als er ihr Gesicht sah, fügte er rasch hinzu: »Aber nicht für Sie. Es ist für Thierry. Ich wollte nicht …«
»Was?«
»Ich will kein Geld dafür.«
Isabel wurde rot. »Ich bezahle, was alle anderen bezahlen.«
»Aber das hab ich nicht gemeint …«
»Es ist besser, wenn ich bezahle. Dann sind wir quitt.« Sie verschränkte die Arme.
»Hören Sie, ich bin doch nicht hergekommen, um Ihnen einen Welpen zu verkaufen. Ich wollte nur fragen, ob Thierry vielleicht einen haben will. Geschenkt. Aber ich musste ja erst Sie fragen, ob’s überhaupt recht ist.«
Warum willst du uns was schenken?, hätte Isabel am liebsten gefragt, verkniff es sich aber.
»Es ist ohnehin der kümmerlichste aus dem ganzen Wurf«, sagte er und deutete auf den dunkleren der beiden.
Das wollte sie nicht glauben, konnte ihm aber nicht gut widersprechen. Sie bückte sich und hob den Welpen aus der Schachtel. Er begann sofort zu zappeln und versuchte, ihr den Hals abzulecken.
»Sie haben uns schon so viel geschenkt«, sagte sie ernst.
»Ach wo. Hier hilft man sich gegenseitig, das ist ganz normal.«
»Aber all diese Sachen. Das Feuerholz, die Hennen …«
»… waren nicht von mir. Ich hab doch geschrieben, dass Colin sie für die Paletten eintauschen will. Ehrlich, es ist nichts Besonderes.« Er nahm das andere Hündchen auf den Arm. »Freut mich, wenn der Kleine ein gutes Zuhause findet.«
Sie schaute ihn an, diesen verschlossenen Mann, der ebenso befangen zu sein schien wie sie. Da fiel ihr auf, dass er wahrscheinlich jünger war, als er wirkte. Seine Größe, seine Stärke, seine beherrschte Art, all das ließ ihn älter erscheinen, als er war. Und dahinter verbarg sich Verletzlichkeit, wie sie jetzt erkannte. Also versuchte
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